PC, Smartphone oder Tablet sind heute keine Besonderheit mehr, vielmehr lassen sie sich inzwischen in die Reihe der Grundbedürfnisse einordnen. Dafür brauchte es viele Jahre und noch mehr Entwicklungsschritte. Begonnen hatte alles im 19. Jahrhundert mit der Erfindung der Lochkarten, die den Grundstein für die Datenspeicherung legten. Vorreiter IBM stellte dann 1948 mit Hilfe eines Lochkartensystems den ersten modernen Computer «IBM 604» her. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurden die Rechnersysteme so verbessert, dass inzwischen eine zweite Welt entstand, die digitale. Allerdings ist die Evolution der Rechenmaschinen damit längst nicht abgeschlossen. Waren es zunächst die innovativen Supercomputer, die zeigten, zu welcher Leistung die Maschinen wirklich fähig sind, dreht sich neuerdings alles um die sogenannten Quantencomputer. Die neuen Spitzenreiter verfügen über eine derart hohe Rechengeschwindigkeit, dass die nächste Revolution der Digitalisierung bereits im Gang ist.
Mit den Prinzipien der Quantenphysik kann ein Quantencomputer deutlich schneller und effizienter arbeiten als alle bisherigen Systeme. Er ist nämlich in der Lage, viele Befehle gleichzeitig auszuführen und ist damit dem klassischen Computer klar überlegen. Möglich macht dies eine unterschiedliche Recheneinheit. Während ein PC «Bits» verwendet, welche die Werte 0 und 1 annehmen, arbeitet ein Quantencomputer mit «Qubits». Diese werden beispielsweise aus Ionen oder supraleitenden Schleifen hergestellt und können neben 0 oder 1 auch noch alle Zustände dazwischen oder sogar 0 und 1 gleichzeitig annehmen. Dabei steigt die Leistung eines Quantencomputers exponentiell mit den vorhandenen Qubits. Der IT-Dinosaurier IBM stellte erst im November seinen neuen Quantenchip «Heron» vor, der doppelt so viele Operationen durchführen kann wie das Vorgängermodell. Laut dem Unternehmen können die neuen Quantencomputer, die in den Rechenzentren auf der ganzen Welt angesiedelt sind, beispielsweise wissenschaftliche Probleme in den Bereichen Materialien, Chemie oder Biowissenschaften angehen.
Big Blue ist aber nicht der Einzige, der an der nächsten Computergeneration tüftelt. Auch die Alphabet-Tochter Google hat sich früh des Zukunftsthemas angenommen. Ende vergangenen Jahres stellte das Unternehmen seinen neuen Quantenchip «Willow» vor, der eigenen Angaben zufolge spezielle mathematische Berechnungen in weniger als fünf Minuten ausführen kann, für die ein Supercomputer von heute zehn Septillionen, also 10 hoch 25 Jahre, benötigen würde. Wichtig bei einer Quantenberechnung ist allerdings die Fehlerkorrektur, denn bei steigender Anzahl an Qubits erhöht sich die Fehlerrate. Laut Google-Experten ist es nun zum ersten Mal gelungen, eine Quantenfehlerkorrektur mit Raten unter einem relevanten Schwellenwert zu erreichen. Auch IBM hat es mit seinem aktuellen System durch Verwendung eines speziellen Algorithmus geschafft, die Fehlerkorrektur zu verbessern. Bekommen die Wissenschaftler das Problem, dass mit zusätzlichen Recheneinheiten die Fehlerquote ansteigt, in den Griff, kann auch die Anzahl der Qubits zunehmen. Die Roadmap von IBM sieht ab 2030 Quantenprozessoren mit 2‘000 Qubits vor.
Neben IBM und Google mischt auch Microsoft im neuen Computerzeitalter kräftig mit. Bereits beim klassischen PC hat der 1975 von Bill Gates gegründete Konzern Pionierarbeit geleistet und möchte dies nun auch im Quanten-Computing tun. Gesagt, getan: Mitte Februar hat Microsoft mit seinem Quantenchip «Majorana 1» einen bahnbrechenden Fortschritt erzielt. «Wir haben den Transistor des Quantenzeitalters erfunden», so Microsoft-Experte Chetan Nayak. Die Aussage zielt darauf ab, dass, wie damals bei Lochkartenrechenmaschinen der Durchbruch mit der Erfindung des Transistors begann, auch Quantencomputer etwas Vergleichbares benötigen, damit die Qubits stabil werden. Das Geheimnis des Erfolgs ist die Verwendung einer neuen Materialkategorie, der Topoconductors. Dieses Material ist weder fest noch flüssig oder gasförmig, sondern nimmt einen neuen Aggregatszustand an, einen topologischen Zustand. Damit sind die Qubits kleiner, schneller und vor allem stabiler als bisherige, wodurch der Majorana 1 quasi bereits standardmässig über eine Fehlerkorrektur verfügt.
Quelle: Grand View Research