Eigentlich hätte der 8. Juli 2025 das Zeug zum eher ruhigen Börsentag. Selbst an der stets hektischen Wall Street stehen nur wenige Konjunkturindikatoren an. Auch von Seiten der Unternehmen dürfte es – kurz vor dem Beginn der Berichtssaison – ruhig bleiben. Und doch könnte der Tag turbulent ausfallen. Schliesslich endet am 8. Juli die Zeitspanne von 90 Tagen, für welche die USA ihre zuvor gegen viele Handelspartner angekündigten Zölle ausgesetzt haben. Seit dem 9. April – eine Woche, nachdem Präsident Donald Trump zum handelspolitischen Rundumschlag ausgeholt hatte – läuft die Schonfrist. Wenig überraschend nehmen Wasserstandsmeldungen zu den Verhandlungen der USA mit Peking, der EU und anderen Handelspartnern starken Einfluss auf das Börsengeschehen. Während die Aktienmärkte mitunter enorm schwanken, zieht sich der «Run» auf Edelmetalle wie ein roter Faden durch die vergangenen Wochen und Monate.
Gold steht an der Spitze. Seit dem Jahreswechsel hat sich das wichtigste Edelmetall um knapp 30% verteuert. Im April kostete eine Feinunze zum ersten Mal USD 3'500. Während Gold seither etwas konsolidiert, ist Silber zuletzt nach oben ausgebrochen. Mit USD 36.29 je Feinunze erreichte das Gold des kleinen Mannes vor Pfingsten den höchsten Wert seit Februar 2012. Neben Gold und Silber zählen Platin und Palladium zur Gruppe der Edelmetalle. Dieses Duo konnte nicht mit den beiden prominenten Vertretern des Segments Schritt halten. Allerdings tut sich auch hier etwas. Vor allem Platin war zuletzt gefragt und ist dabei, eine mehrjährige Seitwärtsbewegung nach oben aufzulösen. Die unterschiedliche Entwicklung steht in einem direkten Zusammenhang mit dem Charakter der Edelmetalle. Gold dient vor allem als Schmuck und wird zudem als Krisenwährung und Inflationsschutz von Anlegern und Zentralbanken gekauft – der technologische Einsatz spielt eine eher untergeordnete Rolle. Dagegen ist die Industrie wichtigster Abnehmer von Silber, Platin und Palladium.
Neben Nachfrage und Angebot können die Preisrelationen Einfluss auf den Verlauf der Edelmetalle nehmen. Ein viel beachteter Indikator ist hier die Gold/Silber-Ratio. Sie gibt an, wie viele Unzen Silber es braucht, um dieselbe Menge an Gold zu kaufen. Kurz nach Trumps Zollhammer kletterte die Kennziffer zum ersten Mal seit knapp fünf Jahren in den dreistelligen Bereich. Gleichzeitig lag die Ratio weit über dem mehrjährigen Mittelwert (siehe Grafik 1). Diese Entwicklung spricht für eine relative Überbewertung von Gold respektive einen günstigen Silberpreis. Teuer ist Gold historisch betrachtet auch im Verhältnis zu Platin. Im April übertraf das gelbe Metall die Platinnotierung zwischenzeitlich um knapp den Faktor 3.6. Mittlerweile ist die rekordhohe Quote wieder etwas zurückgekommen (siehe Grafik 2). Hauptabnehmer von Platin ist die Automobilindustrie, in der das Metall vor allem für den Bau von Katalysatoren benötigt wird. Der Zollstreit stellt eine Bedrohung für diese wichtige Industrie dar. Insofern wirkt der gerade im Vergleich zu Gold schwache Kursverlauf von Platin plausibel.
Allerdings ist der Weltmarkt unterversorgt. Laut einer aktuellen Prognose aus dem World Platinum Investment Council könnte das Angebot 2025 das dritte Jahr nacheinander hinter der Nachfrage zurückbleiben. Die Branchenorganisation berichtet auch davon, dass Platin zusehends häufiger als Goldersatz zum Einsatz kommt. In China lässt sich ein regelrechter Boom beobachten. Im ersten Quartal hat die dortige Schmuckindustrie 26% mehr Platin verarbeitet als Anfang 2024. Gleichzeitig nahmen die Verkäufe von Platinbarren und -münzen in China von Januar bis März um 140% auf rekordhohe 31'000 Unzen zu. Mit Blick nach vorne bleiben der mögliche Austausch respektive die Bewertungsrelationen zu Gold ein potenzieller Treiber für Silber, Platin und Palladium. Daneben hängen die Aussichten für dieses Trio vom Fortgang des Zollstreits sowie von der konjunkturellen Entwicklung ab. Natürlich spielt der Zank auch für das wichtigste Edelmetall eine zentrale Rolle. Daneben nehmen der US-Dollar-Kurs sowie die Zinsentwicklung im Dollarraum Einfluss. Auch diese beiden Parameter stehen in einem engen Zusammenhang mit der Handelspolitik. Kurzum: Die knapp vier Wochen bis zum 8. Juli versprechen auch und gerade im Markt für Edelmetalle jede Menge Spannung.
Quelle: Reuters, eigene Berechnungen; Stand: Juni 2025. Historische Daten sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Entwicklungen.