Die Zeit rennt, zwei Monate des Börsenjahres 2025 sind schon wieder vorbei. Beim Blick auf die bisherige Entwicklung dürfte sich der eine oder andere Investor verwundert die Augen reiben. Europäische Aktien sind das Mass aller Dinge. Der marktbreite STOXX Europe 600 Index notiert gut ein Zehntel über dem Schlussstand von 2024. Im selben Zeitraum kam der S&P 500 Index um lediglich 1.2% voran. Damit hat der alte Kontinent relativ zur Wall Street in den ersten Wochen 2025 die stärkste Outperformance innerhalb einer Dekade eingefahren. Auch gegenüber dem schwächelnden japanischen Markt sowie den Aktien aus den Schwellenländern hat Europa die Nase vorn (siehe Grafik). Dieser Blitzstart ist umso erstaunlicher, da die Aussichten für den alten Kontinent noch vor wenigen Wochen als alles andere als rosig galten.
Im Mittelpunkt der Sorgen stand Deutschland. Die grösste Volkswirtschaft Europas leidet unter einer fast schon chronischen Wachstumsschwäche. In den vergangenen beiden Jahren ist das Bruttoinlandsprodukt jeweils geschrumpft. Für das laufende Jahr rechnet der Sachverständigenrat der Bundesregierung mit einem kleinen Wachstum von 0.4%. Dem Euroraum traut das Gremium zwar eine Expansion um 1.3% zu, doch damit bleibt die Prognose für die Währungsunion um die Hälfte hinter dem globalen Ausblick zurück. Die Diskrepanzen zeigen, welch enorme Herausforderungen auf die nächste deutsche Regierung warten. Und doch haben die Bundestagswahlen die Hoffnungen auf politische Reformen und konjunkturelle Impulse gestärkt. Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz von der Union gilt als wirtschaftsfreundlich. Obwohl es für den CDU-Politiker und Wahlsieger nun erst einmal gilt, mit der SPD einen Koalitionsvertrag auszuhandeln, bekommt er an der Börse Vorschusslorbeeren. Neben der deutschen Innen- taucht die Geopolitik in den Kapitalmarktschlagzeilen auf. Auch wenn es zuletzt zu einem öffentlichen Eklat zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gekommen ist, wird zumindest wieder über ein Ende des Ukraine-Krieges gesprochen. Hinzu kommt, dass Trump den Handelskonflikt mit Europa zwar forciert, die befürchtete Eskalation bis dato jedoch ausgeblieben ist.
Neben dem aufgehellten Umfeld spricht die Bewertung für ein Engagement auf dem alten Kontinent. Europäische Aktien zeigen im globalen Vergleich mitunter markante Abschläge. Ende Januar lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis (forward) für den MSCI Europe Index bei 14.0. Für die ebenfalls von MSCI berechnete US-Benchmark fiel diese Kennzahl zum selben Zeitpunkt um mehr als die Hälfte höher aus. Beim Kurs-Buchwert-Verhältnis übertrifft die Wall Street das europäische Niveau sogar um mehr als das Doppelte. Traditionell punkten Europas Unternehmen mit hohen Dividendenrenditen – momentan resultiert aus den Ausschüttungen der im MSCI Europe enthaltenen Aktien eine Verzinsung von mehr als 3%. Natürlich hat der Bewertungsabschlag auch damit zu tun, dass die US-Börse den europäischen Marktplätzen in den vergangenen Jahren regelrecht enteilt ist (siehe Tabelle).
Zur jüngsten Aufholjagd haben die «Granolas» massgeblich beigetragen. Dieser Begriff steht für eine Gruppe von europäischen Unternehmen, die in ihrem jeweiligen Sektor führend sind. Sie stellen eine Art Gegenentwurf zu den «Magnificent 7» dar, einer Top-Auswahl der Wall Street. In der jüngsten Berichtssaison konnten die Granolas überzeugen. Beispiel SAP: Europas grösster Softwarekonzern übertraf mit seinen Ergebnissen die Analystenerwartungen und gab zudem einen starken Ausblick ab. Während die SAP-Aktie daraufhin ihre Rekordjagd fortsetzte, gibt Nestlé ein eindrucksvolles Comeback. Seit dem Jahreswechsel hat sich die Kapitalisierung des Lebensmittelriesen um 16% ausgedehnt. Offenbar setzen Investoren darauf, dass der neue CEO die Wende schafft. Unter anderem mit höheren Werbe- und Marketingausgaben möchte Laurent Freixe das Wachstum von Nestlé beschleunigen. Obwohl er auch die Sparbemühungen forciert, legt der Branchenriese bei der Dividende erneut etwas drauf. Möglich machen diesen Spagat eine starke Bilanz sowie hohe Cashflows – 2024 verbuchte Nestlé einen freien Mittelzufluss von CHF Mrd. 10.7. Letzten Endes sprechen solche für die Granolas typischen Qualitäten dafür, dass der Blitzstart des europäischen Aktienmarktes ins Jahr 2025 kein Strohfeuer war.
Quelle: Reuters; Stand: 28. Februar 2025.Historische Daten sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Entwicklungen.
Quelle: MSCI (Index Fact Sheets); Stand: 31. Januar 2025