Die katholische Kirche hat ein neues Oberhaupt. Am 8. Mai 2025 wurde Robert Francis Prevost im Konklave in Rom zum Papst gewählt. Der US-Amerikaner gab sich für sein neues Amt den Namen Leo XIV. Wohl nicht ohne Grund: Papst Leo XIII. hatte im Übergang vom 19. auf das 20. Jahrhundert die vatikanische Soziallehre begründet und als Diplomat auf internationalem Parkett agiert. Bis jetzt lässt das neue Oberhaupt von 1.4 Milliarden Katholiken keinen Zweifel daran, dass es einen durchaus vergleichbaren Weg einschlagen möchte. Leo XIV. widmete sich bei seinen ersten Auftritten dem Thema der sozialen Ungerechtigkeit genauso wie den internationalen Krisenherden. Im Krieg zwischen Russland und der Ukraine bot er den Vatikan sogar als möglichen Ort für Friedensverhandlungen an. Keine Frage: Glaube und Religion sind durch den Wechsel an der Spitze der katholischen Kirche verstärkt in den Fokus der Weltöffentlichkeit gerückt.
An der Börse scheinen die Wahl und die ersten Statements des neuen Papstes dagegen kaum Auswirkungen zu haben. Hier bestimmen weiterhin Handelsstreitigkeiten, Geldpolitik und Unternehmensmeldungen das Geschehen. Und doch orientieren sich viele Anleger bei der Kapitalallokation nicht nur an makro- und mikroökonomischen Parametern. «Das Interesse an glaubensbasierten Investitionen hat in letzter Zeit stark zugenommen», stellte Morgan Stanley Anfang 2024 fest. Neu ist dieser Ansatz laut der US-Grossbank nicht. Schon vor mehr als 100 Jahren wurden Investments in Unternehmen, die Alkohol oder Tabak herstellen oder das Glücksspiel fördern, kritisch gesehen. In den späten 1960er-Jahren hätten sich Katholiken zusammen mit Protestanten und Angehörigen anderer Konfessionen öffentlich gegen die Apartheid in Südafrika ausgesprochen. «Es ist der Verdienst von Ordensschwestern, weitere Massnahmen ergriffen zu haben», berichtete Morgan Stanley. Sie legten zunächst ihr Kapital aus der Altersvorsorge zusammen. Später reichten die Schwestern Aktionärsresolutionen gegen Unternehmen ein, bei denen nicht für eine Gleichbehandlung aller Mitarbeiter, unabhängig von der Ethnie, gesorgt war.
Auch wenn die katholische Kirche in Westeuropa unter einem enormen Mitgliederschwund leidet: Weltweit nimmt die Zahl der Christen zu. Die anderen Glaubensrichtungen sind ebenfalls auf dem Vormarsch. Laut Zahlen aus dem Pew Research Center gehörten 2010 knapp 7 Milliarden Menschen einer Religion an. Knapp jeder Dritte davon war Christ. Laut einer Projektion aus dem Jahr 2015 könnte die Zahl der einer Religion zugehörigen Menschen bis 2050 auf mehr als 9.3 Milliarden steigen. Während sich der Anteil der Christen an der Weltbevölkerung stabil entwickeln soll, dürfte die Bedeutung des Islam markant zunehmen. Das Pew Research Center taxiert den Anteil der Muslime an der Weltbevölkerung im Jahr 2050 auf knapp 30%. Gegenüber 2010 würde das ein Wachstum von mehr als 6 Prozentpunkten bedeuten. Angesichts solcher Aussichten überrascht es nicht, dass die Banken verstärkt auf Glauben und Religion achten und mit speziellen Strategien um das Kapital aus diesem Kundenkreis buhlen.
Die Platzhirsche konkurrieren hier mit Start-ups wie Bountiful Financial. Die 2023 gegründete US-Investmentfirma schreibt sich die Demokratisierung glaubensbasierter Anlagen auf ihre Fahne. «Bountiful Financial ist der erste Indexprovider der Welt, der sich ausschliesslich auf den Glauben fokussiert und Indizes für verschiedene Glaubensrichtungen anbietet», lautet das Credo des Unternehmens aus dem Bundesstaat Connecticut. An Expertise mangelt es nicht. An der Spitze steht Reid Steadman. Der Mitgründer und CEO von Bountiful Financial hat bei S&P Dow Jones Indices den Geschäftszweig innovative, nachhaltige und religiöse Indizes geleitet. Er verantwortete die Lancierung von Börsengradmessern, die es auf ein investiertes Vermögen von mehr als USD Bio. 1 bringen. Bei der Entwicklung und Zusammensetzung seiner Indizes fokussiert sich das Unternehmen voll auf die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz – im Topmanagement finden sich mehrere KI-Experten. Über allem steht das Ziel, Investitionslösungen anzubieten, die mit theologischer Integrität, kultureller Sensibilität und unter gemeinschaftlicher Aufsicht entwickelt wurden. Zu diesem Zweck setzt das Unternehmen auf Glaubensbüros, deren Leitung den Vertretern einer bestimmten Glaubensgemeinschaft obliegt. Neben einem Protestanten zählt dazu ein Mitglied der Römisch-katholischen Kirche sowie ein Angehöriger der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Drei Indizes von Bountiful sind bereits «live», fünf weitere befinden sich in der Entwicklung. Man darf gespannt sein, ob und inwieweit der neue Papst die Arbeit und das Angebot dieses Dienstleisters beeinflusst.
Quelle: Pew Research Center, The Future of World Religions: Population Growth Projections, 2010-2050; Stand: April 2015.