Bereits das zweite Mal in diesem Jahr befinden sich chinesische Aktien im Rallye-Modus. Die erste Phase dauerte von Mitte Januar bis Mitte Mai. In diesem Zeitraum avancierte der Gesamtmarkt, gemessen am Hang Seng China Enterprises Index, um stolze 40%. Pünktlich zum Start des «Jahres des Drachens» präsentierten sich die Märkte in Fernost also wieder couragierter. Das hatte einen guten Grund: Koordinierte fiskalische und monetäre Anreize wurden geschaffen, welche die Nachfrage ankurbeln und das Reich der Mitte auf Wachstumskurs halten sollen. Die Regierung lancierte ein milliardenschweres Paket zur Unterstützung des Immobiliensektors, die People’s Bank of China (PBoC) schwenkte in einen Zinssenkungszyklus ein. Darüber hinaus wurden noch weitere Programme zur Verbesserung der Verbraucherstimmung aufgelegt, beispielsweise zur Förderung von E-Autos.
Die zweite Aufwärtsphase chinesischer Aktien begann erst Mitte September. Nach anhaltend schwachen Nachrichten aus dem Immobiliensektor sowie der Gesamtwirtschaft kamen Spekulationen um weitere Stützungsmassnahmen auf. So gingen die Preise für Neubauten in China im August so schnell zurück wie seit mehr als neun Jahren nicht. Derweil schwächte sich in der Industrie das jährliche Produktionswachstum im August von 5.1% auf 4.5% ab, und auch der Einzelhandel enttäuschte mit einem Umsatzplus von lediglich 2.1%. In der Folge kamen Zweifel am Wachstumsziel für das Bruttoinlandsprodukt von 5% auf. Die Hoffnungen auf weitere Zinssenkungen und andere konjunkturelle Anreize wurden nicht enttäuscht. Auf ihrer Sitzung am 23. September verkündete die chinesische Zentralbank umfassende Lockerungen, um der schwächelnden Wirtschaft unter die Arme zu greifen.
Dass umfangreichste geldpolitische Massnahmenpaket seit der Pandemie wurde insbesondere zur Stabilisierung des kriselnden Wohnungsmarkts verabschiedet. Dazu zählt die Senkung der Mindestanzahlung von 25% auf 15% des Kaufpreises ebenso wie niedrigere Mindestreserve- und Refinanzierungssätze, welche die Kreditvergabe der Geschäftsbanken verbessern sollen, sowie reduzierte Kreditleitzinsen. Im Detail schraubte Chef-Währungshüter Pan Gongsheng den Reservesatz (RRR) für Banken um 0.5 Prozentpunkte zurück. In der Folge verfügen die Banken über rund CNY Bio. 1 an zusätzlichem Spielraum für die Kreditvergabe, was umgerechnet knapp USD Mrd. 120 entspricht. Weitere wichtige Leitsätze wurden herabgesetzt – etwa der siebentägige umgekehrte Repo-Satz um 0.2 Prozentpunkte. Auch die Hypothekenzinsen sollen fallen. Die Notenbank wies alle Geschäftsbanken an, die Zinsen auf laufende Wohnungsbaudarlehen bis Ende Oktober schrittweise um mindestens 30 Basispunkte unter den Schlüsselsatz Loan Prime Rate (LPR), der zur Preisgestaltung von Hypotheken dient, herabzusetzen.
Die PBoC möchte mit ihrem Stimulus-Paket nicht nur der Wirtschaft der Volksrepublik zu neuem Schwung verhelfen, sondern auch den Aktienmarkt ankurbeln. Letztgenanntes hat bereits geklappt. Aufgrund der neuen Massnahmen verzeichneten chinesische Aktien im Anschluss die beste Woche seit 2008. Die starke Performance hat mehrere Gründe: Zum einen hat die PBoC zwei neue Instrumente zur Ankurbelung des Kapitalmarkts aufgelegt – eines davon ist ein SWAP-Programm in Höhe von CNY Mrd. 500, welches Fonds, Versicherern und Brokern einen leichteren Zugang zu Finanzmitteln ermöglicht, um Aktien zu kaufen. Daneben stellt die Notenbank Geldinstituten günstige Kredite bis zu CNY Mrd. 300 zur Verfügung, um sie bei der Finanzierung von Aktienkäufen und -rückkäufen von Unternehmen zu unterstützen. Darüber hinaus dürfte die Kursrallye auch der Hoffnung auf weitere Zinssenkungen geschuldet sein. Die Notenbank stellte in Aussicht, dass der Reservesatz je nach Liquiditätslage im Jahresverlauf noch einmal um 0.25 bis 0.50 Prozentpunkte gesenkt werden könnte. Ob der Stimulus in der Wirtschaft wirkt, werden die Konjunkturdaten in den kommenden Wochen zeigen.