Kaum eine Branche geniesst eine höhere Aufmerksamkeit als die Automobilindustrie. Das gilt insbesondere für die deutsche, die Weltmarken wie BMW, Mercedes, Volkswagen und Audi beheimatet. Der Sektor blickt auch auf eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte zurück. Diese begann bereits in der Nachkriegszeit, nachdem 1945 der Volkswagen Typ 1, der VW Käfer, erstmals vom Band gerollt war. Schnell wurde das Automobil zum wichtigsten Wohlstandssymbol und zum Beschleuniger des Wirtschaftswachstums. Noch heute ist die PS-Branche der mit Abstand bedeutendste Industriezweig in Deutschland und nicht nur das grösste Segment des verarbeitenden Gewerbes, sondern zudem einer der wichtigsten Arbeitgeber. Allerdings steht der gute Ruf nun auf dem Spiel: Eine Reihe von Schreckensnachrichten, etwa über Gewinnwarnungen, Arbeitsplatzabbau und Werksschliessungen, machte zuletzt die Runde.
Den Stein ins Rollen brachte Anfang des Monats VW. Nachdem die Zahlen zum ersten Halbjahr, die bereits im Vorfeld von einer Prognosesenkung für das Gesamtjahr geprägt waren, gravierende Schwächen bei Europas grösstem Autokonzern offenbarten, scheinen die Probleme nach neuesten Aussagen des Managements noch deutlich schwerwiegender. Auf einer Betriebsversammlung schockte Finanzchef Arno Antlitz damit, dass aktuell der Absatz von rund 500‘000 Fahrzeuge fehlt, was in etwa den Verkäufen für rund zwei Werke entspricht. «Der Markt ist schlicht nicht mehr da», so Antlitz. Entgegenwirken möchte der Finanzjongleur mit einem verschärften Sparkurs, der auch Jobstreichungen und Werksschliessungen beinhalten könnte. Doch beim Sparen scheint sich VW ebenfalls schwer zu tun: Bei dem 2023 beschlossenen «Fitnessprogramm», das bis 2026 rund EUR Mrd. 10 Kostensenkungen bringen soll, fehlen Medienberichten noch bis zu EUR Mrd. 5. Folglich dürfte Zoff zwischen Betriebsrat und Management um einen Stellenabbau, ähnlich wie zuletzt 2016 nach dem Dieselskandal, vorprogrammiert sein.
Während eine schwache Nachfrage, hohe Kosten und Investitionen VW 2024 in die roten Zahlen zu drücken drohen, steht auch bei den Premiumanbietern BMW und Mercedes-Benz die Ergebnisseite unter Druck. Bei dem Münchner Autobauer ging der Vorsteuergewinn im zweiten Quartal um 10.7% zurück, die wichtige Gewinnmarge im Autogeschäft bröckelte demzufolge um knapp einen Prozentpunkt auf 8.4% ab. Der Abwärtstrend wird sich im zweiten Halbjahr noch beschleunigen. Vor wenigen Tagen schockten die «Weiss-blauen» nämlich mit einer Gewinnwarnung. Aufgrund von Problemen mit einem Bremssystem des Zulieferers Continental – die Zusatzkosten werden auf einen hohen dreistelligen Millionenbetrag beziffert – sowie einer anhaltenden Flaute auf dem chinesischen Markt rechnet BMW nun mit einem Absatzrückgang in diesem Jahr und einer Rendite im Autogeschäft von nur noch 6% bis 7%. Zuvor hatte der Vorstand 8% bis 10% in Aussicht gestellt.
Mit einer Ertragsmarge von 10.2% stellte Mercedes-Benz die Konkurrenz im Frühlingsquartal zwar noch in den Schatten, allerdings befindet sich diese ebenfalls im Sinkflug. Im Vorjahr erzielte die Marke mit dem Stern in der Sparte noch eine Rendite von 13.5%. Von diesen Höhen hat sich das Management 2024 nun aber verabschiedet. Die Erwartungen für das Gesamtjahr engten die Stuttgarter zum Halbjahr von bislang 10% bis 12% auf 10% bis 11% nach unten ein. Das operative Ergebnis erwartet der Konzern «leicht» unter Vorjahr, was nach Mercedes-Definition einem Rückgang um 5% bis 15% entspricht. Zu schaffen machte dem Autobauer zuletzt nicht nur ein schwaches Chinageschäft, hinzu kommt auch, dass derzeit weniger Modelle aus dem Nobelsegment verkauft werden, die in der Regel deutlich profitabler sind. Im zweiten Quartal sank deren Anteil am Gesamtabsatz um zwei Prozentpunkte auf 14%. Hier erwartet Konzernlenker Ola Källenius aber einen Umschwung: «Wir gehen davon aus, dass sich der Absatz und der Modellmix in der zweiten Jahreshälfte verbessern werden – unterstützt durch weitere Markteinführungen insbesondere im Top-End-Segment.» Neu auf den Markt kommt beispielsweise die Benzin-Version der aufgepeppten V-Klasse sowie eine hybridisierte Variante des Mercedes-AMG GLE 53.