Noch im zweiten Quartal soll es losgehen: In Zürich möchte die Firma Ayun die erste «Longevity Day Clinic» der Schweiz eröffnen. «Unser Expertenteam aus Medizinern und Gesundheitsexperten hilft Dir, Deine Gesundheit zu verstehen und gemeinsam massgeschneiderte Strategien für ein gesünderes, längeres Leben zu entwickeln», wirbt das Start-up auf seiner Internetseite. Mit Hilfe modernster Diagnostik und wissenschaftlich validierten Behandlungen sollen die Klienten Energie tanken, ihr Immunsystem stärken und die Resilienz ausbauen. Ayun liegt mit dieser Geschäftsidee am Puls der Zeit. Weltweit beschäftigen sich immer mehr Menschen mit der Longevity, zu Deutsch Langlebigkeit. Hauptziel dieses Trends ist es, die Lebensspanne gegenüber der durchschnittlichen Lebenserwartung möglichst zu verlängern – ohne hierfür allzu starke gesundheitlichen Einschränkungen in Kauf nehmen zu müssen.
Schon jetzt liegt die Schweiz beim «Vormarsch der Alten» gut im Rennen. Babys, die hier zu Lande 2022 das Licht der Welt erblickt haben, können rein statistisch mit einem fast 84 Jahre währenden Dasein rechnen. Seit 1960 hat die durchschnittliche Lebenserwartung in der Schweiz laut Zahlen der Vereinten Nationen (UN) um annähernd 13 Jahre zugenommen. In nur wenigen Ländern der Welt werden die Menschen älter. Während die Schweiz gleichauf mit Japan und Liechtenstein liegt, zeigt die Statistik lediglich für Hongkong sowie die chinesische Sonderverwaltungszone Macau einem um ein Jahr höheren Wert. Forscher rechnen damit, dass der Trend weiter nach oben geht. Bis Ende des Jahrhunderts könnte die Lebenserwartung in der Europäischen Union um 10 auf dann über 90 Jahre steigen. Laut Projektionen der Statistikbehörde Eurostat ist es möglich, dass die EU schon 2050 knapp eine halbe Million Bürger im Alter von 100 Jahren oder darüber beheimatet.
Diese von Faktoren wie dem steigenden Wohlstand, einer besseren medizinischen Versorgung, mehr Hygiene und günstigeren Arbeitsbedingungen getriebene Entwicklung hat weitgreifende Folgen. Auf der einen Seite verliert der Faktor Arbeit an Schlagkraft, da immer weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter leben. Gleichzeitig steigt der Bedarf an wirksamer Versorgung im Alter respektive altersgerechten Einrichtungen und Dienstleistungen. Der Ansatz der Longevity kann hier helfen. Mit einer rechtzeitig realisierten gesünderen Lebensweise und permanenter Bildung lässt sich die Fähigkeit zur Beschäftigung länger erhalten. Auf diese Weise ist sowohl eine Entlastung der Sozialsysteme möglich als auch der Grundstock für ein langes und erfülltes Leben gesetzt. Die Longevity kann sich dadurch immer mehr zu einem eigenständigen Wirtschaftstrend oder -sektor entwickeln. Das gilt umso mehr, als viele ältere Menschen über die nötige Finanzkraft verfügen, um Geld für das eigene Wohlergehen oder zu Gunsten ihrer Familien auszugeben.
Interessante Zahlen zu dieser These kommen von AARP. Diese Non-Profit-Organisation hat sich den Interessen der US-Bevölkerung im Alter von 50 und mehr Jahren verschrieben. Laut der Studie «Global Longevity Economy® Outlook: The economic contribution of people age 50 and older» nimmt der wirtschaftliche Einfluss der «Ü50» weltweit zu. 2020 steuerte diese Altersgruppe USD Bio. 45 oder 34% zum globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. 2050 sollen USD Bio. 118 oder 39% der weltweiten Wirtschaftsleistung von Menschen kommen, die 50 Jahre oder älter sind. In reiferen und wohlhabenderen Volkswirtschaften ist die Bedeutung der älteren Menschen schon jetzt relativ hoch. Beispielsweise taxiert die für die Analyse zuständige Organisation Economist Impact ihren Einfluss auf das BIP der USA im Jahr 2020 auf 45.7%. Für die Schweiz haben die Ökonomen eine Quote von mehr als 40% ermittelt. Die «Ü50» schieben vor allem den Konsum kräftig an. 2020 steuerten sie USD Bio. 35 oder rund die Hälfte zu diesem Markt bei. Im Gesundheitssegment lag der Anteil sogar bei 60%. Laut der Studie könnte die untersuchte Altersgruppe 2050 in Summe USD Bio. 96 in den Konsum stecken. Das wären dann annähernd 60% der gesamten weltweiten Verbraucherausgaben. Es ist also kein Zufall, dass nicht nur neue spezialisierte Dienstleister wie das eingangs erwähnte Zürcher Start-up um das Geld der älteren Generation buhlen. Auch viele etablierte Unternehmen aus den unterschiedlichsten Sektoren widmen sich verstärkt dem Longevity-Trend.
Quelle: Weltbank
Quelle: AARP, Global Longevity Economy® Outlook, 10.11.2022