Seit 30 Jahren legt das World Gold Council (WGC) die «Gold Demand Trends», kurz GDT, vor. In dieser Publikation berichtet die Branchenorganisation ausführlich von der Entwicklung im Handel mit dem wichtigsten Edelmetall. Sie liefert aktuelle Daten, geht auf die wichtigsten Nachfragetreiber sowie die Situation im Bergbausektor ein und gibt einen Ausblick ab. «Über die vergangenen drei Jahrzehnte hat der Goldmarkt einen aussergewöhnlichen Wandel erlebt», stellen die Autoren in der Jubiläumsausgabe der GDT fest. Insbesondere sei das Geschäft heute deutlich breiter gestreut. Im Bergbau habe sich die Produktion vielfältig und weltweit verteilt entwickelt. Auf der Nachfrageseite war in den 1990er-Jahren der Konsum von Schmuckartikeln Hauptabnehmer. Zwar spielt das «Jewellery»-Segment immer noch eine sehr wichtige Rolle, gleichwohl hat der Verkauf von Münzen und Barren deutlich zugenommen. Darüber hinaus setzen Zentralbanken Gold seit der Jahrtausendwende verstärkt zur Streuung ihrer Währungsreserven ein. Gleichzeitig haben sich physisch besicherte Anlageprodukte (ETFs, ETPs) als Abnehmer etabliert.
Insgesamt ist der Markt deutlich gewachsen, seit das WGC mit den vierteljährlichen Analysen begonnen hat. 1992 wurden weltweit 2'270 Tonnen des gelben Metalls zu Tage gefördert. Im vergangenen Jahr lag die globale Minenproduktion bei mehr als 3'600 Tonnen. Zusätzlich wurden rund 1'144 Tonnen aus dem Recycling gewonnen. Auf diese Weise reichte das Angebot knapp aus, um ein deutlich gestiegenes Kaufvolumen zu bedienen. Laut dem WGC war die Goldnachfrage 2022 so hoch wie seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr. Gegenüber dem Vorjahr nahm der Bedarf um annähernd ein Fünftel zu. Ein Treiber war das Investmentsegment. Die Nachfrage nach Barren und Münzen stieg um 2% auf knapp 1'107 Tonnen. Anleger setzten Gold in dieser Form als Absicherung gegen die hohe Inflation sowie eine extrem angespannte Geopolitik ein. «Im Gegensatz hierzu bauten Gold-ETF-Investoren ihre Bestände ab, insbesondere im zweiten Halbjahr», erklärt das WGC. Als Begründung nennen die Experten die aus den rigorosen Zinserhöhungen der Notenbanken und einem aufwertenden US-Dollar resultierenden Opportunitätskosten für dieses unverzinste Asset.
Apropos Notenbanken: Diese Institutionen haben 2022 in einem nie dagewesenen Ausmass Gold gekauft. Insgesamt stockten sie ihre Tresore um 1'136 Tonnen auf. «Geopolitische Unsicherheiten und hohe Inflation wurden als Hauptgründe für das Halten von Gold genannt», erklärt das WGC. Seit mittlerweile 13 Jahren in Folge treten die Notenbanken als Netto-Käufer des Edelmetalls auf. Die People’s Bank of China (PBoC) hat ihre Reserven zum ersten Mal seit 2019 aufgestockt. Derweil sicherte sich die türkische Notenbank die grösste Menge, ihre Goldbestände nahmen im vergangenen Jahr um 148 auf 542 Tonnen zu. «Nach vorne blickend sehen wir kaum Gründe daran zu zweifeln, dass die Zentralbanken Gold gegenüber positiv eingestellt bleiben und in 2023 als Netto-Käufer auftreten», erwarten die Experten.
Während sich an den zentralen Argumenten für ein Engagement in der Krisenwährung – angespannte Geopolitik und grassierende Inflation – wenig geändert hat, poppte Mitte März ein neues Problem auf: In den USA kollabierte die Silicon Valley Bank (SVB) und weckte böse Erinnerungen an die Zeit der Finanzkrise. Die von der Schliessung des US-Startup-Finanzierers ausgehenden Schockwellen machten auch vor der Schweiz nicht Halt. Vielmehr geriet die seit Längerem angeschlagene Credit Suisse noch tiefer in die Krise. In einer von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und der Regierung unterstützten Rettungsaktion hat die UBS die Konkurrentin für CHF Mrd. 3 übernommen. Angesichts einer derart dramatischen Entwicklung überrascht der Run auf Gold nicht. Am Tag nach der UBS-Offerte für die Credit Suisse kletterte die Feinunze zum ersten Mal seit rund einem Jahr über die Marke von USD 2'000. Was einmal mehr zeigt: Sobald die Nervosität an den Märkten zunimmt, ist das Edelmetall mehr denn je als sicherer Hafen gefragt.
Quelle: World Gold Council, Reuters; Stand: März 2023. Historische Daten sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Entwicklungen.