Ist der Zinserhöhungszyklus in den USA vorbei? Auf der Zielgeraden des Börsenjahres 2023 wird diese Frage unter Investoren, Analysten und Ökonomen heftig diskutiert. Im Kampf gegen die hohen Inflationsraten hat die US-Notenbank ihre Target Rate seit dem Frühjahr 2022 von nahe null auf aktuell 5.25% bis 5.50% nach oben geschraubt. An den vergangenen beiden Sitzungen im September und Anfang November hielt der Offenmarktausschuss jedoch die Füsse still. Allerdings möchte sich Fed-Chair Jerome Powell nicht auf ein Ende der geldpolitischen Straffung festlegen, geschweige denn über Zinssenkungen diskutieren. Vielmehr richtet er den Fokus weiterhin darauf, die Inflation auf das angestrebte 2%-Ziel zu drücken. «Wir sind noch nicht davon überzeugt, dass wir diese Position erreicht haben», sagte Powell nach dem jüngsten Zinsentscheid. Gleichzeitig verwies er darauf, dass die US-Wirtschaft in einer erstaunlich starken Verfassung sei.
Möglicherweise nehmen die Märkte der Fed zumindest einen Teil der Arbeit ab. «Die Finanzierungsbedingungen haben sich in den vergangenen Monaten signifikant verschärft», stellte Powell fest. Angeschoben worden sei diese Entwicklung insbesondere von den längerfristigen Anleihen. In der Tat herrschte am hinteren Ende der Zinskurve zuletzt viel Bewegung. Mitte Oktober ist die Rendite des 30-jährigen US-Treasury über die Marke von 5% geklettert (siehe Grafik). Auf diesem Niveau befand sich der Zinssatz zuletzt im Sommer 2007. Seit Ende 2022 ist die Verzinsung des Langläufers um rund 80 Basispunkte gestiegen, während diejenige in der 20-jährigen Laufzeit sogar noch etwas stärker nach oben ging. Pimco erachtet die jüngste Entwicklung nicht als hauptsächlich durch die Sorge vor der Inflation oder weiteren Fed-Zinserhöhungen getrieben. Vielmehr nennt der Fixed-Income-Manager die abnehmende Rezessionsangst als zentralen Auslöser.
«Die Versteilerung der Renditekurve bietet Investoren an den Geldmärkten unseres Erachtens eine gute Gelegenheit, Anlagen mit längeren Laufzeiten in Betracht zu ziehen», schreiben die Pimco-Experten in einem Kommentar. Momentan seien die Einstiegsrenditen sowohl im historischen Vergleich als auch relativ zu anderen Anlageklassen auf risikoadjustierter Basis hoch. In Zeiten eines nach wie vor sehr unsicheren Ausblicks lasse sich so ein «Renditepolster» aufbauen. «Darüber hinaus haben Anleihen das Potenzial, Kapitalgewinne zu erzielen und Portfolios zu diversifizieren», meinen die Autoren. Im Übrigen teilt Pimco die Einschätzung der Fed-Spitze, wonach sich die Finanzierungsbedingungen bereits verschärft hätten. Auf diese Weise würde die Neuaufnahme von Schulden kostspieliger und dadurch die wirtschaftliche Aktivität möglicherweise abgebremst. Das wiederum könnte zu einer geldpolitischen Lockerung führen.
Noch ist es nicht so weit. Fest steht dagegen, dass Jerome Powell schon bald schweigen wird. Am 2. Dezember beginnt die «Blackout Period» im Vorfeld der zehn Tage später startenden Sitzung des Offenmarktausschusses. In dieser Zeit verzichten hochrangige Vertreter der US-Notenbank darauf, öffentliche Kommentare zu Konjunktur, Geldpolitik und Zinsen abzugeben. Die Märkte sind sich ohnehin ziemlich einig, dass es weder am 13. Dezember noch in den darauffolgenden Monaten zu weiteren Zinserhöhungen kommen wird. Laut dem CME FedWatchTool ist im Juni 2024 sogar eine erste Senkung der Target Rate möglich (siehe Grafik). Insofern passt das auf den Konditionen an den Terminmärkten basierende Tool zur Einschätzung von Pimco. Sollte im kommenden Jahr tatsächlich die Zinswende nach unten anstehen, wäre möglicherweise schon jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, um eine Position in den zuletzt arg gebeutelten längerfristigen US-Staatsanleihen aufzubauen.
Quelle: FRED Economic Data (St. Louis Fed); Stand 13.11.2023 Historische Daten sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Entwicklungen.
Quelle: CME FedWatch Tool (CME Group); Stand: 13.11.2023 Historische Daten sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Entwicklungen.