Sei es die Elbmündung an der deutschen Nordseeküste, der Pazifik zwischen Asien und Amerika oder die Chinesische See: Es wimmelt auf den Weltmeeren. Tracking-Apps wie beispielsweise «MarineTraffic» führen mit ihren Symbolen – unter anderem für Tanker und Containerschiffe – den globalen Warenaustausch anschaulich vor Augen. Mit Hilfe dieser Applikationen liess sich auch der jüngste Stau an diversen Knotenpunkten der Seefracht visualisieren. Vor Shanghai und Zhejiang hatte sich im Juni eine lange Warteschlange gebildet. Mehr als 4% der globalen Frachtkapazität steckten hier laut dem «Kiel Trade Indicator» fest. Zuletzt entspannte sich die Lage etwas. «Nach Ende des Lockdowns in Shanghai legen die Schiffe dort wieder in gewohnter Anzahl ab», schreibt das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) in einem Update vom 20. Juli. Allerdings entpuppt sich jetzt die Deutsche Bucht als eine Art Flaschenhals für den globalen Handel. «Mit 24 Containerschiffen warten dort erstmals seit Beginn unserer Datenserie mehr als 20 Containerschiffe auf die Einfahrt in einen deutschen Hafen», erklärt das IfW. Innert eines Monats hat die Zahl der wartenden Schiffe um 60% zugenommen. Neben Streiks bei Hafenarbeitern bleibt die Corona-Pandemie ein wesentlicher Grund für die Engpässe.
In jedem Fall zeigt die skizzierte Entwicklung, wie wichtig funktionierende Lieferketten für das moderne Leben sind. Bis Anfang 2020 dürften die wenigsten Menschen davon Notiz genommen haben. Für Konsumenten war es genauso wie für die meisten Unternehmen eine Selbstverständlichkeit, dass Endprodukte und Bauteile nach der Bestellung schnell und pünktlich geliefert wurden. «Die Pandemie war so etwas wie ein Crash-Kurs in den Feinheiten der Lieferketten», stellen die Strategen von Swissquote fest. Heute sei die Widerstandsfähigkeit der globalen Warenströme schon beinahe ein häufigeres Gesprächsthema als das Wetter. Gleichzeitig stellen die Swissquote-Analysten ein gestiegenes Interesse der Investoren am Logistiksektor fest. «Die Transportunternehmen sind tatsächlich die Gewinner der Pandemie», erklären sie. Führende Branchenvertreter, wie beispielsweise die Containerriesen Maersk und Evergreen aus Dänemark respektive Taiwan, hätten Rekordergebnisse eingefahren.
Begehrlichkeiten wecken aber nicht nur die Giganten der Weltmeere. «Die Finanzierungen für Logistik-Start-ups stiegen sprunghaft an», berichten die Strategen. Aktuelle Zahlen zu dieser Feststellung kommen von McKinsey & Company. Nach den Berechnungen des Beratungsunternehmens hat sich die Summe des in Start-ups aus dem Bereich Transport und Logistik investierten Kapitals 2021 nahezu verdoppelt. In mehr als 200 Finanzierungsrunden sammelten die jungen Logistik-Unternehmen insgesamt rekordhohe USD Mrd. 24.6 ein – 94% mehr als im Vorjahr (siehe Grafik 1). Laut McKinsey & Company kommt in dem sprunghaften Wachstum das gesteigerte Bewusstsein vieler Unternehmensmanager für die mit Transportblockaden, Produktionsstilllegungen oder einem Mangel an Rohstoffen einhergehenden Risiken zum Ausdruck. Besonders viel Geld fliesst in Unternehmen aus dem Bereich «Supply-Chain Visibility». In diese Kategorie fällt Flexport. Das US-Start-up hat eine Technologieplattform entwickelt, welche alle Beteiligten einer Lieferkette miteinander verbindet. Anfang Februar 2022 nahm das Unternehmen bei einer Finanzierungsrunde USD Mio. 935 auf.
Dieses Beispiel zeigt auch, wie gross das Spektrum der Logistikindustrie mittlerweile ist. Es geht weit über den klassischen Transport zu Lande, zu Wasser und in der Luft hinaus. Eine wichtige Rolle spielen beispielsweise auch die Automatisierung oder der Einsatz der Robotik. «Automated Guided Vehicles könnten die Produktivität von Kommissionierern in Lagern um das Drei- bis Vierfache steigern», erklären die Analysten von Swissquote. Positiv sind die Aussichten auch für den Markt als Ganzes. Geht es nach Transport Intelligence (Ti), dann hatte die weltweite Logistikindustrie die Corona-Delle von 2020 bereits im vergangenen Jahr wieder aufgeholt. Für den Zeitraum 2020 bis 2024 rechnen die Marktforscher mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 4.8%. Damit wäre der Sektor am Ende des Prognosezeitraums rund EUR Bio. 6.9 schwer. Ein Wachstumstreiber bleibt der florierende Onlinehandel. Er führt dazu, dass Ti in der internationalen Expresslogistik bis 2024 mit einer überproportionalen Umsatzsteigerung von durchschnittlich 6.8% pro Jahr rechnet.
Quelle: McKinsey & Company; Stand: 06.06.2022 Historische Daten sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Entwicklungen.
Quelle: Statista, Transport Intelligence (Ti); Stand: 27.01.2021 Historische Daten sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Entwicklungen.