Die Fed hat es bereits zwei Mal getan, die Reserve Bank of Australia ebenfalls und die Bank of England liegt mit vier Schritten seit Ende 2021 sogar vorne. Die Rede ist von Zinserhöhungen. Während jahrelang die Niedrigzinspolitik in den grossen Industrienationen dominierte, haben die Währungshüter nun eine Kehrtwende vollzogen. Selbst die Europäische Zentralbank, die noch sehr lange zögerte, hat die Menschen in der Eurozone auf ihrer jüngsten Sitzung nun auf ein Ende der Negativzinsen eingestimmt. Um 0.25% möchte die EZB im Juli den Leitsatz anheben. Die Geldmärkte sind bereits einen Schritt weiter und preisen aktuell bis zu 75 Basispunkte an Erhöhungen bis September ein. Die Entwicklung lässt sich auch auf dem Rentenmarkt ablesen. So hat die 10-jährige deutsche Staatsanleihe Anfang März die Nulllinie überwunden und rentiert aktuell mit 1.4% – dem höchsten Niveau seit 8 Jahren.
Es ist massgeblich die galoppierende Inflation, welche die Notenbanken zwingt, den Stecker bei ihrer extrem lockeren Geldpolitik zu ziehen. Im Mai legte die Teuerung – angetrieben vor allem von den steigenden Kosten für Energie – gegenüber dem Vorjahresniveau um 8.1% zu. Damit wurde die Markterwartung um 40 Basispunkte übertroffen. Ein schnelles Ende ist nicht in Sicht: Die EZB-Ökonomen gehen für 2022 neu von einer durchschnittlichen Inflationsrate in der Währungsunion von 6.8% aus, im März betrug der Prognosewert «nur» 5.1%. Für 2023 werden dann 3.5% (bisher 2,1%) veranschlagt. Selbst wenn die Schweiz im Vergleich zu den USA und der Eurozone bisher noch glimpflich davonkommt, kann sie sich dem Preisdruck ebenfalls nicht entziehen. Hierzulande legte die Teuerung im Mai überraschend stark um 2.9% gegenüber dem Vorjahresmonat zu, das entsprach dem höchsten Anstieg seit September 2008. Am Markt war lediglich mit einem Plus von 2.6% gerechnet worden.
Die Teuerung liegt nun bereits den vierten Monat in Folge über dem von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) angestrebten Zielband von 0% bis 2%. Daher wird es spannend, wie das Team um Präsident Thomas Jordan mit den höheren Mieten sowie den steigenden Preisen bei Lebensmitteln und Heizöl umgeht. Mit minus 0.75% hat die SNB derzeit den weltweit niedrigsten Leitzins. Noch im März hatte die SNB ihre expansive Geldpolitik, negativer Leitsatz in Kombination mit möglichen Devisenmarkt-Interventionen, noch einmal bestätigt. Am 16. Juni (nach Redaktionsschluss) fand die jüngste geldpolitische Lagebeurteilung mit der Zinsentscheidung statt. Im Vorfeld des Zusammentreffens stellte SNB-Vizepräsident Fritz Zurbrügg bereits klar, dass die Nationalbank bei der Festlegung ihrer künftigen Geldpolitik berücksichtigen wird, wie hartnäckig die Inflation ist.
Ein Blick auf die Bondmärkte zeigt, dass es nicht mehr lange dauern dürfte, bis auch die SNB den Geldhahn zudreht. Die Rendite des 10-jährigen Eidgenossen, die zu Beginn des Jahres noch im negativen Bereich lag, hat vor wenigen Tagen erstmals seit Anfang 2014 wieder die 1%-Marke nach oben durchbrochen. Dieser Trend zeigt sich über alle Zeiträume hinweg. Selbst die Bonds mit einjähriger Laufzeit werfen seit Anfang Juni wieder eine positive Rendite ab. Am Markt wird derzeit mit einem weiteren Anstieg bis Ende September auf 1.8% gerechnet, ein Plus von rund 77 Basispunkten. Letztlich kündigt der Anstieg der heimischen Kapitalmarktrenditen ein neues Kapitel für Anleger an.
Quellen: Bundesamt für Statistik BFS, World Goverment Bonds
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