Die Meteorologen haben es soeben bestätigt: Der Sommer 2022 war der heisseste in Europa seit Beginn der Aufzeichnungen. Doch ungeachtet der Hitze schlug in den vergangenen Monaten der sogenannte «Kryptowinter» zu. Der Begriff tauchte erstmal 2018 auf, als der Bitcoin die Hälfte seines Wertes einbüsste und auch den Rest der digitalen Coins mit in die Tiefe riss. Der aktuelle Bärenmarkt bei den Kryptowährungen fällt aber noch deutlich ausgeprägter aus. So stürzte das Urgestein Bitcoin, das im November 2021 noch ein neues Rekordhoch bei USD 68‘789 markierte, mittlerweile unter die Marke von USD 20‘000 ab und notiert derzeit so tief wie seit zwei Jahren nicht mehr. Immense Verluste musste ebenso der kleine Bruder Ethereum einstecken. Vom Hoch verlor die Nummer zwei unter den Kryptos drei Viertel seiner Marktkapitalisierung.
Dennoch sorgte Ethereum zwischenzeitlich für eine Erholung im Kryptomarkt. Mitte September kam es zu dem jahrelang vorbereiteten und heiss ersehnten Update «The Merge». Dabei wurde vom stromfressenden Mechanismus «Proof-of-Work» auf die «Proof-of-Stake»-Methode umgestellt. «Happy merge all», twitterte Ethereum-Gründer Vitalik Buterin nach der gelungenen Reform. Laut den Entwicklern wird durch die Neugestaltung der Energiebedarf um mehr als 99% reduziert – ein erheblicher Vorteil, denn das macht die Digitalwährung auch für Investoren interessant, die auf Nachhaltigkeitskriterien achten. Einen positiven Einfluss auf den Wert von Ethereum dürfte Experten zufolge zudem die Tatsache haben, dass sich im Zuge der Umstellung das Tempo, mit dem neue Cyber-Münzen ausgegeben werden, deutlich reduzieren könnte. Dieser anti-inflationäre Effekt kann im Umkehrschluss steigende Kurse nach sich ziehen. Am Markt heisst es sogar, dass Ethereum durch seine zunehmende Attraktivität den bisherigen Branchenprimus Bitcoin vom Spitzenplatz beim Börsenwert verdrängen könnte.
Der positive Richtungswechsel bei den Kryptokursen im Sommer und dann noch einmal im Herbst war allerdings nur von kurzer Natur. Zuletzt hat sich das Abwärtstempo sogar noch einmal deutlich verschärft. Innerhalb von nur einer Woche gab beispielsweise der Bitcoin um ein Fünftel nach. Der jüngste Crash wurde ausgelöst von Liquiditätsnöten bei der Kryptobörse FTX.com. Das Unternehmen geriet unter Druck, nachdem Kunden innerhalb kürzester Zeit riesige Mengen an Kapital abzogen. Medienberichten zufolge fehlten dem Unternehmen plötzlich bis zu USD Mrd. 8. Zunächst standen die Chancen auf eine Rettung gut. Rivale Binance hatte kurz nach Bekanntwerden des Debakels angekündigt, den grössten Teil des Geschäfts von FTX übernehmen zu wollen. Doch nach einer umfassenden Betriebsprüfung sowie möglicherweise missbräuchlich behandelten Kundengeldern und mutmasslichen Ermittlungen der US-Behörden machte Binance einen Rückzieher.
Letztlich musste FTX Insolvenz anmelden und Chef Sam Bankman-Fried, der die Firma 2019 gründete, nahm seinen Hut. Damit dürfte die Sache für ihn aber nicht vom Tisch sein. Insidern zufolge sind bei dem Unternehmen mindestens eine Milliarde Dollar an Kundengeldern verschwunden. Dem ehemaligen Wall-Street-Banker Bankman-Fried zufolge habe es aber nur Missverständnisse bei der Verbuchung gegeben. Während auf den Bahamas Ermittlungen wegen möglicher Veruntreuung laufen, hat der weltweit grösste Zahlungsabwickler Visa seine Zusammenarbeit mit der insolventen Kryptobörse beendet. Bis die ganze Wahrheit über FTX auf dem Tisch liegt, könnte es noch einige Zeit dauern und dies wiederum die Verunsicherung unter den Kryptoanlegern kurzfristig weiter anheizen. Darüber hinaus ist laut Experten nicht auszuschliessen, dass auch andere Branchengrössen vor ähnlichen Problemen stehen.
Quelle: Refinitiv