Das Wort Inflation ruft bei vielen Menschen einen Reflex der Abneigung hervor. Sofort schwirren einem Begriffe wie Geldentwertung und Kaufkraftverlust im Kopf herum. Zu Recht, denn ein Blick ins volkswirtschaftliche Lehrbuch zeigt, dass die Inflation per Definition für die Preissteigerung von einem Jahr oder Monat auf das andere steht, was nichts anderes bedeutet, als dass das Geld weniger wert wird. Auch am Kapitalmarkt ist das I-Wort unerwünscht. In der Regel geht ein Anstieg der Teuerungsraten nämlich mit steigenden Zinsen einher, was wiederum gemeinhin als Gift für Aktien gilt.
Allerdings ist die Inflation nicht ausnahmslos etwas Negatives. In einem expandierenden konjunkturellen Umfeld ist eine moderate Teuerung durchaus wünschenswert. Nicht ohne Grund liegt das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) bei einer positiven Rate von 2%. Selbst höhere Werte werden diesseits wie auch jenseits des Atlantiks akzeptiert, denn die Deflationsgefahr – also sinkende Preise – wird unter Ökonomen allgemein als das grössere Problem betrachtet. Höhere Preise können nämlich auch Vorteile haben. Unternehmen gewinnen so Spielraum für Investitionen, welche sich wiederum positiv auf die Produktivität und somit auch auf die Gewinne auswirken können. Erst Anfang 2020 hat das Fed in den USA einen Strategiewechsel vollzogen und eine lange geldpolitische Tradition beendet. Die Währungshüter, die sich bis dahin maximal 2% Inflation erlaubt haben, bevor sie an der Zinsschraube drehen, handhaben es seither „flexibel“.
Soweit die Theorie: Die aktuelle Inflationsentwicklung scheint den Notenbankern in den USA allerdings die Sorgenfalten auf die Stirn zu treiben. Nachdem sich die Inflationsrate mehr als ein Jahrzehnt hindurch zwischen 0 und 2% bewegte, zeigt die Kurve seit 2021 steil nach oben. Im vergangenen Jahr belief sich die durchschnittliche Teuerungsrate auf 4.69% gegenüber dem Vorjahr, das war der höchste Wert seit 30 Jahren. In den vergangenen Monaten hat die Inflationsentwicklung sogar noch an Tempo gewonnen. Die jährliche Inflationsrate beschleunigte sich von 7.9% im Februar auf 8.5% im März 2022, die höchste Rate seit Dezember 1981.
Eine Entwicklung, welcher die Notenbank nicht länger zusehen kann. Mitte März leitete das Fed die Zinswende ein. Erstmals seit 2018 hoben die Währungshüter den Leitsatz an. Mit diesem Schritt trat die Notenbank einer scheinbar heiss laufenden Inflation erstmals entgegen. Doch von Entspannung bei der Teuerung kann angesichts der weiter steigenden Raten noch keine Rede sein, und der Druck auf das Fed steigt. Chef-Notenbanker Jerome Powell scheint diesen auch zu spüren. Er überraschte kürzlich auf der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit einer Andeutung, dass der kommende Zinsschritt höher ausfallen könnten, als allgemein erwartet. Während der Markt auf der Sitzung Anfang Mai mit einer weiteren Anhebung um 0.25% rechnete, brachte Powell nun einen halben Prozentpunkt ins Spiel: „Ich würde sagen, 50 Basispunkte werden für die Sitzung im Mai auf dem Tisch liegen.“ Das zeigt, dass die Notenbank nicht so schnell mit einer Umkehr bei der Teuerungsrate rechnet.
Quelle: tradingeconomics.com
Quelle: Statista, e = erwartet
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