Am 3. November wählen die USA den Präsidenten für die kommenden vier Jahre. Wenn Demokraten und Republikaner ihre Kandidaten – Joe Biden und Donald Trump – bis Ende August offiziell nominieren, geht der Wahlkampf in die heisse Phase. Dabei nutzt der Amtsinhaber schon jetzt praktisch jede Gelegenheit, um seinen Gegner heftig zu attackieren. Gleichzeitig wird der in den Umfragen zurückliegende Donald Trump nicht müde, die Briefwahl in Zweifel zu ziehen. Einige Staaten sehen darin die Möglichkeit, die Stimmenabgabe trotz Corona-Pandemie sicherzustellen. Trump warnt dagegen vor vermeintlichen Betrugsmöglichkeiten. Ende Juli brachte er per Twitter sogar die Verschiebung des Urnengangs ins Spiel. Zwar ruderte der Präsident später zurück, doch weniger als drei Monate vor dem Wahltermin wirken die von der Corona-Pandemie heftig getroffenen USA so aufgekratzt wie lange nicht.
Zumindest ein Stück weit dürfte das Rumoren im politischen Amerika zu dem mittleren Beben beigetragen haben, welches die Devisenmärkte zuletzt erschüttert hat. Im Mittelpunkt stand dabei der US-Dollar-Index. Dieser Gradmesser bildet den Verlauf des Greenbacks in Relation zu Euro, japanischem Yen, britischem Pfund, kanadischem Dollar, schwedischer Krone und Schweizer Franken ab. Gegenüber diesen sechs Hauptwährungen hat die US-Valuta im Juli 4.8% an Wert verloren (siehe Chart). Der Index verzeichnete damit das grösste Monatsminus seit annähernd einer Dekade. Im Schwächeanfall des Greenbacks kommt auch die desolate Lage der weltgrössten Volkswirtschaft zum Ausdruck. Für das zweite Quartal 2020 hat die US-Regierung einen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts um nahezu ein Drittel gemeldet. Im Vergleich dazu ist die Eurozone glimpflich durch die akute Phase der Corona-Krise gekommen. Auf dem Gebiet der Währungsunion nahm die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal «nur» um 12% ab. Bekanntlich stemmen sich die USA sowohl real- als auch geldpolitisch mit aller Kraft gegen die historische Rezession. Die staatlichen Konjunkturprogramme ziehen die Emission von Treasuries im grossen Stil nach sich.
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Folgerichtig geht es mit der US-Staatsverschuldung weiter nach oben. Laut Statista erreichte sie im Juni knapp USD Bio. 26.5. Innert eines Jahres hatten die Staaten ihre Aussenstände damit um ein Fünftel erhöht (siehe Grafik). Rückhalt kann der Dollar auch von der Notenbank vorerst nicht erwarten – im Gegenteil. «Der wesentliche Grund für die Dollar-Schwäche ist unserer Ansicht nach eine nachhaltige Kehrtwende der US-Geldpolitik», schreiben die Devisenexperten der Commerzbank in einem Kommentar. Schon vor der Corona-Krise habe die Fed angedeutet, die Zinsen erst dann weiter erhöhen zu wollen, wenn die Inflation das 2%-Ziel erreicht habe. Bisher war der Offenmarktausschuss zu Straffungen bereit gewesen, sobald sich die Teuerung diesem Niveau annäherte. Als die Währungshüter ihren neuen Ansatz bekannt gaben, hatten sie den Leitsatz bereits auf die Spanne von 1.50% bis 1.75% erhöht. Daher konnten die Investoren laut Commerzbank mit der geänderten Gangart der Notenbank noch einigermassen leben. «Jetzt reden wir aber davon, dass sie ihre Zinsen auf absehbare Zeit bei nahe null beibehalten wird», schreiben die Experten mit Bezug auf die mittlerweile auf 0.00% bis 0.25% gesenkte Federal Funds Rate. Damit unterscheidet sich die US-Geldpolitik ihrer Ansicht nach nicht mehr gross von derjenigen anderer wichtiger Notenbanken, insbesondere der EZB.
Die meisten FX-Strategen erwarten vorerst kein Ende der Dollar-Schwäche. Das zeigt eine aktuelle Reuters-Umfrage. Mehr als die Hälfte der 62 Teilnehmer geht davon aus, dass der Greenback gegenüber den anderen wichtigen Währungen noch für mindestens sechs Monate das Nachsehen haben wird. 24 Strategen halten der Nachrichtenagentur zufolge sogar die Fortsetzung des Abwärtstrends über mehr als ein Jahr für möglich. «Es gibt keinen Zweifel, dass der Dollar jetzt eine zyklische Wende vollzogen hat», sagte Kit Juckes, Head of FX Strategy bei der Société Générale, gegenüber Reuters. Folgen hat dieser Ausblick auch für Aktieninvestoren. Der taumelnde Dollar könnte die Rallye an der Wall Street zusätzlich befeuern. Goldman Sachs stellt eine direkte Verbindung zwischen Währung und S&P 500 her. In Monaten mit einer starken Dollar-Abwertung habe der US-Leitindex seit den 1980er-Jahren im Schnitt um 2.6% zugelegt. Dagegen beträgt die Median-Performance der Benchmark in Monaten mit einem stark steigenden Dollarkurs lediglich 0.7%.