Eigentlich pulsiert London an den Ostertagen. Neben den mehr als 12 Mio. Einwohnern strömen Touristen aus aller Welt durch die britische Metropole. Doch egal, ob Westminster Abbey, Trafalgar Square, Big Ben oder Buckingham Palace: An diesem Wochenende dürfte es an den Hot Spots ziemlich ruhig bleiben. Etwas verzögert, aber dann mit aller Konsequenz, ist Grossbritannien in den Shutdown-Modus gewechselt. Mit massiven Ausgangsbeschränkungen möchte das Inselreich – wie viele andere Länder – die Corona-Pandemie eindämmen. Covid-19 ist nicht nur für die britische Gesellschaft sowie das Gesundheitssystem eine harte Prüfung. Auch die zweitgrösste Volkswirtschaft Europas leidet schwer unter dieser Krise. Ein Blick auf den FTSE 100 Index macht die Misere deutlich: Von Januar bis März 2020 brach der britische Leitindex um knapp ein Viertel ein. Damit verbuchte die Benchmark das schwächste Quartal seit 1987. Noch stärker gaben britische Immobilienaktien nach. Per Ende März notierte der FTSE 350 Real Estate Index 28.7% unter dem Schlusskurs des vergangenen Jahres.
Für den Sektor kommt der Corona-Schock zur Unzeit. Schliesslich war die Immobilienwirtschaft auf der Insel gerade dabei, sich von den Wirren des Brexits zu erholen. Das im Juni 2016 gefällte Votum der Briten, die EU zu verlassen, hatte auch und gerade in diesem Wirtschaftszweig eine enorme Unsicherheit ausgelöst. Sie machte sich insbesondere 2019 bemerkbar, als sich das britische Parlament in unzähligen Debatten nicht auf den von der damaligen Premierministerin Theresa May mit Brüssel ausgehandelten Austrittsvertrag verständigen konnte. Wenig überraschend hielten sich die Briten in diesem Umfeld mit dem Kauf einer Immobilie zurück. «Projektabschlüsse ziehen sich in die Länge und mehr Transaktionen scheitern», kommentierte die Bank of England (BoE) im vergangenen Dezember die Lage am Häusermarkt. Immerhin hatten sich die Preise zu diesem Zeitpunkt bereits etwas erholt (siehe Grafik). Ein positiveres Bild zeichnete die BoE vom gewerblichen Bereich. Demnach war im 4. Quartal vor allem die Nachfrage nach industriellen Liegenschaften robust. «In manchen Bereichen gab es sogar Engpässe», erklärte die Notenbank. Bei den Büroflächen hoben sich die grösseren Städte vom Rest des Landes ab. Hier geht es direkt zu Anlagelösungen passend zum Thema «Britischer Immobilienmarkt: Corona-Schock trifft auf Substanz».
Die Hauptstadt ragte heraus. Laut Savills Research verzeichneten das Londoner West End sowie die City im 3. Quartal 2019 europaweit unter den Top-Office-Lagen den höchsten Mietpreisanstieg (siehe Grafik). Dem Beratungsunternehmen zufolge profitierte die Metropole dabei von einer dem Brexit geschuldeten Zurückhaltung im Vorjahr. Der ungebrochene Reiz Londons kommt auch in den Leerstandsquoten zum Ausdruck: Während die City mit 5.7% hier im 3. Quartal leicht über dem europäischen Mittelwert (5.6%) lag, waren im West End gerade einmal 4% der Büroflächen frei. Als Savills diese Zahlen im November veröffentlichte, rechneten die Experten für 2020 in London nur mit einem leichten Anstieg der Leerstände sowie in etwa stabilen Mieten. Keine sechs Monate später ist diese Prognose wohl Makulatur – das Coronavirus beschert der britischen Immobilienwirtschaft mit ihren mehr als 500'000 Beschäftigten ein stark verändertes Umfeld. Allerdings fallen die Auswirkungen je nach Teilbereich unterschiedlich aus. Besonders hart ist der Detailhandel betroffen, nachdem viele Geschäfte schliessen mussten.
Dagegen wird nach Ansicht von Cushman & Wakefield gerade die hohe Auslastung dafür sorgen, dass sich der Büroimmobilienmarkt gegenüber früheren Krisen als robuster erweist. Dem steht der durch die Pandemie ausgelöste Trend in Richtung Home Office gegenüber. Er könnte dem Beratungsunternehmen zufolge die Büroflächen in Zukunft schrumpfen lassen. Widerstandskraft attestiert Cushman & Wakefield auch dem Logistiksektor. Das gelte vor allem für diejenigen Unternehmen, welche die Lagerung und den Vertrieb von Produkten mit langfristig strategischer Bedeutung übernehmen. Als Beispiele nennen die Experten unter anderem Pharma und Nahrungsmittel. In einer aktuellen Stellungnahme skizziert Cushman & Wakefield auch die prinzipiellen Stärken von Immobilieninvestments. «In Krisenzeiten hat die Anlageklasse Real Estate für viele einen stärkeren Reiz», schreiben die Autoren. Dementsprechend könnte rasch ein neuer Zyklus anlaufen, in dem physische Immobilien den Vorzug gegenüber Aktien und Obligationen erhalten. Von einem solchen Positiv-Szenario würden wohl auch die an der Londoner Börse kotierten Real Estate Investment Trusts (REITs) profitieren. Für das Segment spricht zudem, dass der Börsenkurs so mancher Immobiliengesellschaft im Ausverkauf unter ihren Net Asset Value (NAV) gefallen ist. Allerdings könnte es nach dem Shutdown etwas dauern, bis das Vertrauen der Investoren zurückkehrt.
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