«Alle Menschen sind frei und gleich an Rechten und Würde geboren», heisst es in der UN-Menschenrechtserklärung von 1948. Und doch wird um die Gleichstellung in der Praxis nach wie vor gerungen. Aktuell hat das Thema sogar eine ganz besondere Brisanz. Nachdem in den USA bei einem Polizeieinsatz der Schwarze George Floyd getötet wurde, überziehen Massenproteste gegen Rassismus den ganzen Globus. Der allumfassende Gleichberechtigungsgedanke bezieht sich aber nicht nur auf die Farbe der Haut, sondern betrifft auch beispielsweise behinderte und nicht behinderte Menschen sowie die verschiedenen Geschlechter und ihre sexuelle Orientierung.
Dass bereits die Gleichstellung der Geschlechter noch ein weit entferntes Ziel ist, zeigt der Gender Gap Report, der jüngst bereits zum 14. Mal erschienen ist. Laut den Experten wird es noch 95 Jahre dauern, bis allein die geschlechtsspezifische Kluft in der Politik geschlossen ist. In Sachen Bildung geht es deutlich schneller. In nur 12 Jahren soll die Gleichstellung dort hergestellt werden. Aktuell wird diese in 40 der 153 bewerteten Länder vollständig erreicht. In der Wirtschaft ist der Fortschritt dagegen ins Stocken geraten. Während sich die Lage in den OECD-Ländern weiter verbessert, verschlechtert sie sich in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Dem Report zufolge liegt die Geschlechterparität derzeit nur bei 57.8 Prozent. Die Zeit bis zu 100 Prozent beziffern die Forscher auf satte 257 Jahre. Eine der grössten Herausforderungen, welche das Schliessen der wirtschaftlichen Kluft zwischen den Geschlechtern verhindern, ist die Unterrepräsentation von Frauen in aufstrebenden Rollen. So sind beispielsweise im Cloud Computing nur 12 Prozent der Fachkräfte Frauen. Das Nummer-eins-Land für Geschlechtergleichheit ist laut dem Gender Gap Report Island, und das bereits zum 11. Mal in Folge. Hier geht es direkt zu Anlagelösungen passend zum Thema «Gewinnbringendes Streben nach Vielfalt».
Laut der 2015 erschienenen Studie „Delivering the Power of Parity“ von der Beratungsgesellschaft McKinsey zahlt sich eine Gleichberechtigung von Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft klar aus. Die Analyse, die weltweit in 95 Ländern durchgeführt wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass durch Investitionen in diesen Bereich die globale Wirtschaftsleistung im Jahr 2025 um USD Bio. 12 steigen könnte, was einem zusätzlichen Plus von 11 Prozent entspräche. Auch das Washingtoner Peterson Institute for International Economics sieht das weibliche Geschlecht als Erfolgsfaktor im Unternehmen. Eine Erhöhung des Frauenanteils unter Führungskräften von null auf 30 Prozent würde seinen Berechnungen zufolge den Nettogewinn um 15 Prozent steigen lassen.
Das Streben nach Geschlechtervielfalt im Unternehmen bringt also einen echten wirtschaftlichen Mehrwert. Aber nicht nur mit Blick auf die Gleichstellung von Männern und Frauen macht es Sinn, den vorhandenen Talentpool anzuzapfen. Auch unterschiedlichste Ausprägungen hinsichtlich Herkunft, Religion, Behinderung oder sexueller Orientierung bedürfen einer vollständigen Berücksichtigung. Dies gilt alleine schon aufgrund des Gegenwinds durch den demografischen Wandel. Laut einer neuen Untersuchung der OECD wird in der Schweiz der Anteil der über 65-Jährigen bis in die 2050er-Jahre auf mehr als 30 Prozent der Bevölkerung steigen, der der über 80-Jährigen wird sich bis 2045 auf zehn Prozent verdoppeln. Mit einer durch die Gleichstellung erreichten höheren Talentbasis könnte der bislang erzielte Wohlstand auch für künftige Generationen gesichert werden.