China macht derzeit vor allem im Zusammenhang mit dem Coronavirus Schlagzeilen. Nicht nur, dass die Pandemie eine enorme gesellschaftliche Herausforderung für das Reich der Mitte darstellt. Sie wird ausserdem immer mehr zum Bremsklotz für die nach den USA zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt. Seien es Fabriken, Einkaufszentren oder Freizeitanlagen: Viele Einrichtungen stehen still oder laufen nur langsam wieder an. Folgerichtig haben Ökonomen ihre Wachstumsprognose nach unten geschraubt. Doch Peking stemmt sich mit allen Mitteln gegen den Abschwung. Unter anderem hat die Zentralbank mehrere Referenzsätze gesenkt. Auf diese Weise soll die Kreditvergabe angekurbelt werden. Auch wenn bis auf weiteres die negativen Schlagzeilen überwiegen dürften: Es ist schwer vorstellbar, dass die Virus-Krise den Aufstieg des grössten Schwellenlandes zur wirtschaftlichen Supermacht nachhaltig abwürgt.
Zu den Bereichen, in denen die Transformation Chinas besonders deutlich zum Ausdruck kommt, zählt die Digitalisierung. Peking webt das Internet und den technologischen Fortschritt konsequent in den Ausbau der Wirtschaft ein. Mehrere entsprechende Dienstleistungen wurden in den vergangenen Jahren erfolgreich in dem rund 1.4 Mrd. Einwohner zählenden Land etabliert. Für immer mehr Chinesen zählt beispielsweise Mobile Payment zum Alltag. Laut Daten von iResearch betrug das Volumen der über Drittparteien abgewickelten mobilen Geldtransfers im Jahr 2018 in China insgesamt CNY Bio. 190.5 oder umgerechnet knapp USD Bio. 27. Ein Blick auf die quartalsweise Entwicklung zeigt, in welchem Tempo sich diese moderne Applikation im Reich der Mitte ausgebreitet hat (siehe Grafik). Nach der rasanten Einführung ist der Markt laut iResearch mittlerweile in einer Phase der stetigen Entwicklung angekommen. Hier geht es direkt zu Anlagelösungen passend zum Thema «Kreditkartenabieter: An der Schwelle zu einem Billionen-Markt».
Der auf das Internet spezialisierte Marktforscher aus China unterteilt die digitalen Zahlungen in drei Hauptsegmente (siehe Grafik). Zu mehr als der Hälfte entfielen die Volumen im 2. Quartal 2019 auf persönliche Anwendungen (Personal Application). Dazu zählt iResearch beispielsweise Überweisungen zwischen Kreditkarten. Gut ein Fünftel der Umsätze basierte auf mobilem Konsum (Mobile Consumption), wie etwa die Bezahlung von Onlinespielen oder via Smartphone gebuchten Flügen. In der drittgrössten Kategorie (Mobile Finance) berücksichtigt iResearch P2P-Kredite und andere mobile Finanzierungen. Aktuell ist Chinas Mobile-Payment-Markt stark fragmentiert. iResearch zufolge griffen Alipay und Tenpay im zweiten Quartal 2019 zusammen annähernd 94% der Volumen ab. Hinter den Bezahldiensten der beiden Internetgiganten Alibaba und Tencent tummelt sich eine Reihe von kleineren Anbietern und Start-ups. Natürlich ruft dieser gigantische Markt auch die internationalen Kreditkartenanbieter auf den Plan. Allerdings war diesen der direkte Zugang in das Reich der Mitte bisher versperrt.
Mit dem vor kurzem von den USA und China unterzeichneten Handelsabkommen wird sich das ändern. Bezeichnenderweise waren die CEOs von Mastercard und Visa, Ajay Banga und Al Kelly, bei dem Festakt im Weissen Haus vor Ort. In dem monatelang ausgehandelten Phase-1-Deal erklärt sich Peking bereit, die Anträge der Payment-Dienstleister aus den Staaten innert maximal 90 Tagen zu bearbeiten. Bereits einen Monat nach der Ratifizierung des Abkommens wurde der erste positive Bescheid verschickt: Die People’s Bank of China (PBOC) erteilte Mastercard die Zulassung für den Start eines Bankkartengeschäfts. Innert eines Jahres muss der US-Konzern zusammen mit seinem lokalen Partner, NetsUnion Clearing, die Systeme zum Laufen bringen. Die US-Player sind nicht unvorbereitet. Vielmehr haben sie ihre Fühler, beispielsweise als Dienstleister für Auslandszahlungen, längst in das Reich der Mitte ausgestreckt. Doch jetzt öffnet sich für die Branchenriesen die Tür in Richtung neuer Grössenordnungen: Ende September 2019 waren in China 8.2 Mrd. Bankkarten im Umlauf.