Ein Buchstabe elektrisiert derzeit die Börsenwelt: das «H». Gemeint ist damit Wasserstoff, das leichteste und am häufigsten vorkommende Element im Universum. Geht es um die Herstellung des Moleküls, zeigten die Schweizer Pioniergeist. Bereits im Jahre 1520 erzeugte der einheimische Alchemist Paracelsus Wasserstoff. Heute forschen und arbeiten Unternehmen auf der ganzen Welt mit dem ersten Element des Periodensystems – und das mit zunehmender Tendenz. Denn wird der Wasserstoff aus regenerativen Energien gewonnen, verspricht die Technologie sogar Klimaneutralität. Dass dies in Zeiten von «Fridays for Future»-Bewegungen jede Menge Fantasie weckt, versteht sich von selbst. Am Aktienmarkt ist zuletzt sogar ein regelrechter H2-Boom mit spektakulären Kursentwicklungen ausgebrochen. Titel wie Ballard Power, Nel oder PowerCell verzeichneten in den vergangenen zwölf Monaten deutliche Kurszuwächse.
Der Reihe nach: Um die im Wasserstoff enthaltene Energie zur Wärme- oder Stromerzeugung zu nutzen, wird ein Wandler benötigt. Diese Aufgabe übernimmt die Brennstoffzelle. Damit ist eine adäquate Lösung für klimafreundliche Schwerlaster und Schiffe oder auch die Chemie- und Stahlindustrie gefunden. Hinzu kommt der Wasserstoffantrieb im Auto. Selbst wenn auf diesem Gebiet noch viel erprobt wird, inzwischen haben es bereits einige Fahrzeuge bis zur Serienreife geschafft. So lieferte die südkoreanische Hyundai kürzlich den ersten Brennstoffzellen-Lkw Xcient in der Schweiz aus. Bis 2025 sollen insgesamt 1’600 Stück des Modells an Kunden übergeben werden. Hierzulande ist es vor allem dem 2018 gegründeten Förderverein «H2 Mobilität» – der sich aus Tankstellenbetreibern, Transport- und Logistikunternehmen zusammensetzt – zu verdanken, dass die Technologie auf die Strasse kommt. Jedoch ist nicht nur der Ausbau der Tankstelleninfrastruktur entscheidend, auch muss genügend H2 vorrätig sein. Für die Wasserstoffversorgung in der Schweiz zeigt sich das von Alpiq, H2 Energy und Linde gegründete Unternehmen Hydrospider verantwortlich. In Brüssel setzt man ebenfalls verstärkt auf die Technologie. Die geförderte Initiative «Joint Initiative for Hydrogen Vehicles across Europe» hat unter anderem zum Ziel, bis 2023 rund 300 H2-Busse in 22 europäischen Städten zum Einsatz zu bringen. Hier geht es direkt zu Anlagelösungen passend zum Thema «Multitalent H2: Ein Molekül erobert die Welt».
Auch Autohersteller wie BMW und Toyota setzen in Zukunft verstärkt auf die grüne Kraftquelle. Der deutsche Premiumanbieter möchte bis Ende 2022 eine kleine Flotte von Wasserstoff-Brennstoffzellenautos auf Basis des X5 auf die Strasse bringen. Einen Schritt weiter ist Toyota. Der japanische Autoriese verfügt mit dem Mirai bereits über ein «Null-Emissionen»-Fahrzeug. Von der Fünf-Meter-Limousine kommt in diesem Jahr sogar schon die zweite Generation auf den Markt. Der Preis fällt mit rund CHF 90'000 zwar noch sehr sportlich aus, Toyota geht aber davon aus, dass man bei der dritten Generation des Mirai den Preis auf den eines Hybrid-Fahrzeugs drücken kann.
Als Wegbereiter in Sachen Wasserstoff gilt China. Der Entwicklungsplan der Zentralregierung sieht vor, bis 2020 5’000 H2-Fahrzeuge auf die Strasse zu bringen, bis 2025 dann 50’000 und 2030 sollen es sogar eine Million sein. Der Hydrogen Council, eine weltweite Initiative von Mitgliedern aus führenden Energie-, Transport- und Industrieunternehmen, geht davon aus, dass die Schwelle zum Massenmarkt bei H2-PKWs bis Mitte des Jahrzehnts erreicht werden dürfte. Im Jahr 2050 könnten bis zu 400 Millionen Autos rund um dem Globus verkehren. Der Hydrogen Council sieht Wasserstoff in Zukunft aber nicht nur als nachhaltigen Antrieb für Fahrzeuge, sondern auch als sauberen Energieträger für Wärme, Strom und die Industrie. Beispielsweise kommt H2 in der Raumfahrt als Treibstoff und Lieferant für Bordenergie bereits seit den 1960er-Jahren zum Einsatz. Das zeigt, dass die Potenziale des «Erdöls von morgen» enorm sind.