Die US-Technologiebörse Nasdaq ist derzeit an den internationalen Aktienmärkten das Mass aller Dinge. Während die Notierungen vielerorts noch dabei sind, die im Zuge des Corona-Ausverkaufs erlittenen Verluste aufzuholen, eilt der vor knapp 50 Jahren ins Leben gerufene Handelsplatz von einem Rekord zum nächsten. Auf eine ganz andere Art tanzt die Nasdaq Inc., das Unternehmen hinter der Technologiebörse, aus der Reihe: Seit Anfang 2017 steht mit Adena Friedman eine Frau an der Spitze des Konzerns. Die Betriebswirtin zählt damit zu einer eher seltenen Personengruppe: 2019 besetzte das weibliche Geschlecht bei lediglich 4.6% der mehr als 1'600 im MSCI® World Index enthaltenen Unternehmen den Chefsessel. Die geringe Zahl an weiblichen CEOs ist längst nicht der einzige Beleg für das so genannte Gender Gap. Dieser Begriff gilt als Synonym für die nach wie vor fehlende Gleichstellung der Geschlechter.
Seit 2006 analysiert das Weltwirtschaftsforum (WEF) regelmässig, ob und inwieweit Frauen in den Gesellschaftsbereichen Erziehung, Gesundheit, Politik und Wirtschaft auf Augenhöhe mit dem männlichen Geschlecht stehen. Zwar stellt die Organisation im «Global Gender Gap Report», Ausgabe 2020, eine beachtliche Diskrepanz fest: Dem WEF zufolge könnte es noch annähernd ein Jahrhundert dauern, bis die Gender-Parität erreicht ist. Doch es gibt Fortschritte. Im vergangenen Herbst hat der Indexbetreiber MSCI die Führungsstruktur seiner globalen Benchmarks unter die Lupe genommen. Konkret umfasste die Analyse die 2'765 zu diesem Zeitpunkt im MSCI® ACWI Index enthaltenen Unternehmen. Anders als im bekannteren MSCI® World sind in diesem Gradmesser auch die Emerging Markets vertreten. Jede fünfte Führungsposition (Director) war 2019 weiblich besetzt. Innert zwei Jahren hatte die Frauenquote damit um rund 2 Prozentpunkte zugenommen. Im MSCI® World Index entfällt sogar ein Viertel der Sitze in den Boards auf weibliche Manager (siehe Grafik). Laut J.P. Morgan drängen Frauen in einer nie dagewesenen Anzahl nach vorne. «Ihre Repräsentanz nimmt weltweit zu, wobei Europa vorangeht», schreibt die US-Bank in einem Research-Kommentar. Hier geht es direkt zu Anlagelösungen passend zum Thema «Gender Gap: Diese Lücke gilt es zu schliessen».
Die EU hat die Gleichberechtigung auf ihre politische Agenda gesetzt. Dabei geht die Europäische Union mit gutem Beispiel voran. Seit vergangenem Dezember steht mit Ursula von der Leyen eine Frau an der Spitze der EU-Kommission. «Die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern ist zwar ein wesentlicher Grundsatz der Europäischen Union, sie ist aber noch lange nicht verwirklicht», stellte die deutsche Politikerin im März fest. Mit einer auf den Zeitraum 2020 bis 2025 ausgelegten Strategie möchte sie auf der einen Seite Probleme wie die weit verbreitete Gewalt gegen Frauen angehen. Gleichzeitig soll die Chancengleichheit im Berufsleben gefördert werden. 2018 verdienten Frauen in der EU knapp 16% weniger als Männer. In den vergangenen Jahren zeigten sich an dieser Stelle nur langsame Fortschritte (siehe Grafik). Von der Leyen plant Massnahmen, um neben dem Lohnverhältnis die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie die Kinderbetreuung zu verbessern. Sie möchte darüber hinaus ein ausgewogenes Verhältnis der beiden Geschlechter in Entscheidungspositionen – in Politik und Wirtschaft – sicherstellen.
Unternehmen sollten den Einfluss der Frauen nicht nur forcieren, um der immer stärker aufkommenden Gleichstellungsdebatte Rechnung zu tragen respektive dem politischen Druck nachzugeben. Mehr Frauenpower fördert auch den wirtschaftlichen Erfolg. Dem WEF zufolge besteht ein Zusammenhang zwischen dem Gender Gap und der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Demnach kann das Schliessen der Lücke zu einem Anstieg des Ertrags um mehr als 20% führen. Spätestens hier sollten auch die Investoren aufhorchen. Das gilt umso mehr, als Umwelt, Soziales und Unternehmensführung – Stichwort ESG – an der Börse als eigenständige Qualitätskriterien stark auf dem Vormarsch sind. Die gezielte Suche nach «weiblichen» Aktien könnte sich also in doppelter Hinsicht lohnen: Sie liegt am Puls der Zeit und bringt die Chance auf mehr Rendite mit.