Es hat nicht sollen sein: Am Finalturnier der Fussball-Nations-League musste sich die Schweiz Anfang Monat mit dem vierten Platz begnügen. Und doch zog Vladimir Petković nach den Niederlagen gegen Portugal und England ein positives Fazit. «Wir sind mit den grossen Mannschaften auf Augenhöhe», erklärte der Nati-Coach. Gäbe es auch an der Börse ein mit dem neuen Fussballformat vergleichbares Turnier, dann hätte die Schweiz 2019 Chancen auf den grossen Triumph. Kurz vor dem Ende des ersten Semesters steht für den SMI gegenüber dem Vorjahresultimo ein Plus von 17% zu Buche. Damit lässt der heimische Leitindex namhafte Benchmarks wie DAX, S&P® 500 oder EURO STOXX® 50 hinter sich (siehe Grafik). Als eine Art «Spielmacher» agierte beim offensiven Vorstoss des Schweizer Aktienmarktes Nestlé. Mit einem Anteil von aktuell 18.3% ist der Lebensmittelriese das SMI-Schwergewicht.
Im ersten Semester verteuerte sich der Large Cap um mehr als ein Viertel. Für Kauflaune sorgte Nestlé mit einem beschleunigten operativen Wachstum: Durch Preiserhöhungen und gute Geschäfte in Amerika und Asien konnte der um Sondereffekte bereinigte Umsatz im ersten Quartal den Vorjahreswert um 3.4% übertreffen. Analysten hatten dem Branchenprimus lediglich eine Steigerung von 2.8% zugetraut. CEO Mark Schneider ist längst nicht zufrieden. Bis 2020 soll das Unternehmen weiter beschleunigen und auf das frühere Wachstumsniveau von rund 5% zurückkehren. Dazu baut der Topmanager den Konzern aktiv um. Mitte Mai hat Nestlé seine Hautpflegesparte für CHF 10 Mrd. an ein Konsortium um den schwedischen Investor EQT sowie einen Staatsfonds aus Abu Dhabi verkauft. Hier geht es direkt zu Anlagelösungen passend zum Thema «Schweizer Aktienmarkt: Ein Semester der Superlative».
Weniger Rückenwind bekommt der Aktienmarkt dagegen von makroökonomischer Seite. Gerade hat die Expertengruppe des Bundes ihre Sommer-Konjunkturprognose publiziert. Darin stellen die Ökonomen fest, dass die Wirtschaft – sowohl international als auch in der Schweiz – im ersten Quartal deutlich gewachsen ist. «Die Aussichten bleiben aber verhalten und die Unsicherheit gross», schreibt das SECO in einer Medienmitteilung. Vor diesem Hintergrund rechnet die Expertengruppe für die Schweizer Wirtschaft 2019 mit einem unterdurchschnittlichen Wachstum von 1.2%. Im kommenden Jahr soll die Konjunkturlokomotive Fahrt aufnehmen. Dann erwartet das Gremium eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1.7%. Gleichwohl dürfte die Schweiz vorerst nicht an das starke Wachstumsniveau des vergangenen Jahres anknüpfen können (siehe Grafik). 2018 hatte die Wirtschaft das höchste Expansionstempo seit 2010 verbucht.
Von makroökonomischer Seite bekommt der SMI also kaum Rückenwind. Vielmehr agieren die exportorientierten Grosskonzerne in einem schwierigen globalen Umfeld. «Für die Weltkonjunktur überwiegen weiterhin die Abwärtsrisiken», stellt die Expertengruppe des Bundes fest. Sie verweist auf den ungelösten Handelsdisput zwischen den USA und China und die politische Unsicherheit in Europa. Neben dem Brexit bereitet den Spezialisten hier die «ungewisse wirtschaftliche und finanzielle Situation» Italiens Kopfzerbrechen. Mit dieser Einschätzung ist das Gremium nicht allein. Zuletzt haben mehrere Notenbanken auf die drohende oder teilweise bereits zu beobachtende Konjunkturabkühlung reagiert. Sowohl EZB als auch SNB hielten an rekordtiefen Zinsen fest. Gleichzeitig signalisierten die Währungshüter beider Institutionen ihre Bereitschaft, falls nötig zusätzliche Kriseninstrumente einzusetzen. Einen sprichwörtlichen «U-Turn» hat die US-Notenbank im ersten Semester vollzogen. Ende 2018 hatte sie noch die Zinsen erhöht und für das neue Jahr weitere Schritte nach oben in Aussicht gestellt. Mittlerweile gehen die Märkte fest davon aus, dass der Handelsstreit das Fed dazu zwingt, noch in diesem Jahr die Zügel zu lockern. Die Zinssenkungsfantasie hat einen gehörigen Anteil daran, dass die Investoren im Juni bei Aktien beherzt zugegriffen haben. Allerdings kann die Aussicht auf neue Liquiditätsspritzen nicht über die bestehenden Risiken dieser Anlageklasse hinwegtäuschen. Vielleicht ist der Zeitpunkt deshalb günstig, dass Investoren gerade beim haussierenden SMI darüber nachdenken, die Gewinne zu sichern.
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