Wenige Tage vor dem Fest kann in der US-Hauptstadt von weihnachtlicher Ruhe keine Rede sein. Vielmehr spielt sich im politischen Washington eine Art Showdown ab. Am Ende seines ersten Jahres im Weissen Haus ist Präsident Donald Trump drauf und dran, eines der zentralen Versprechen aus dem Wahlkampf 2016 zu realisieren. Im Fokus steht das Kapitol: Nach einer Marathonsitzung verabschiedete der Senat dort am 2. Dezember mit einer knappen Mehrheit eine Steuerreform. Bereits im November hatte das Repräsentantenhaus die Vorlage abgesegnet. Als nächsten Schritt müssen die beiden Kammern der US-Legislative ihre Entwürfe abgleichen. Erst danach landet das Projekt wieder auf dem Schreibtisch des Präsidenten. Noch vor dem Jahreswechsel möchte Trump das Gesetz mit seiner Unterschrift in Kraft setzen. Geht dieser Plan auf, würde es in den USA zum grössten Umbau des Steuersystems seit den 1980er-Jahren kommen.
Das Vorhaben ist heftig umstritten. Die oppositionellen Demokraten werfen der Regierung vor, kostspielige Geschenke an Vermögende und Unternehmen zu verteilen und dadurch den Schuldenberg von aktuell rund USD 20 Billionen weiter in die Höhe zu treiben. Dagegen stellt Trump die Reform in einen direkten Zusammenhang mit seinem Leitspruch «America First». Seiner Ansicht nach ist das bestehende System veraltet, komplex und extrem kräftezehrend. «Wir brauchen ein Steuersystem, das fair zu arbeitenden Familien ist und Unternehmen dazu ermutigt, in Amerika zu bleiben, zu wachsen, zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen», sagte Trump im Oktober bei einer Rede in Pennsylvania. Fest steht, dass die Reform an der Wall Street längst zu einem grossen Thema geworden ist. Investoren, Strategen und Analysten zerbrechen sich die Köpfe darüber, welche Aktien profitieren könnten. Hier geht es direkt zu Anlagelösungen passend zum Thema «Thema «US-Steuerreform: Favoritenwechsel an der Wall Street möglich».
Ein zentraler Baustein der Initiative ist die Reduzierung der Körperschaftssteuer. Sie soll von jetzt 35% auf 20% sinken. Zum Vergleich: Im Durchschnitt beträgt der Unternehmenssteuersatz in den weltgrössten Volkswirtschaften 22.5%. Dank der Reform dürfte bei vielen Gesellschaften unter dem Strich deutlich mehr übrig bleiben. Die Strategen der UBS haben ausgerechnet, dass ein Steuersatz von 20% den Gewinn im S&P 500 Index um 9.5% erhöhen könnte. Allerdings dürften die Pläne der Republikaner den Konzernen unterschiedlich stark in die Hände spielen. «Sie werden für Unternehmen vorteilhaft sein, deren Geschäft sich hauptsächlich im Inland abspielt und deren Belastung momentan im Bereich des Spitzensteuersatzes liegt», meint John Carey, Portfoliomanager bei Amundi Pioneer Asset Management in Boston. Die Credit Suisse stösst in dasselbe Horn. In einer am 5. Dezember 2017 publizierten Studie zählen die Analysten die Sektoren Detailhandel, Transport, Geschäftsservice und Telekom als potenzielle Profiteure auf.
Sobald Investoren damit anfangen würden, die Steuererleichterungen einzupreisen, sollten diese Bereiche besser abschneiden als der Markt. Ihre Outperformance könnte zu Lasten von Wirtschaftszweigen gehen, denen die Reform weniger bringen dürfte. Dazu zählen laut Credit Suisse die Sektoren Technologie, Pharma & Biotech sowie Automobile. In der Tat lässt sich an der Wall Street bereits ein gewisser Favoritenwechsel beobachten. Beispielsweise verlor der Höhenflug der Technologieaktien zuletzt an Schwung. Auf Sicht von einem Monat notiert der S&P 500 Information Technology Index knapp im Minus. Derweil verteuerte sich der S&P 500 Retailing Index um 6.6%. Dank der kurzfristigen Rallye setzte sich der Sektor auf der Zielgeraden des Börsenjahres 2017 vom US-Leitindex ab (siehe Grafik). Nach Einschätzung von Bridget Weishaar, Senior-Aktienanalystin bei Morningstar, profitieren die Detailhändler gleich doppelt von der anstehenden Reform. Auf der einen Seite kann sich der Sektor auf geringere Steuerzahlungen freuen. Gleichzeitig könnte das Geschäft einen Extraschub erfahren. «Den Verbrauchern wird hoffentlich zusätzliches Geld für spontane Konsumausgaben zur Verfügung stehen», erklärt die Expertin.
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