Ihren 20. Geburtstag hatte sich die Europäische Zentralbank (EZB) wohl anders vorgestellt. Anstatt die Sektkorken knallen zu lassen, sieht sich die am 1. Juni 1998 ins Leben gerufene Notenbank jeder Menge Krisen gegenüber. Zum einen zetteln die Amerikaner gerade einen Handelskrieg mit der EU an. Zum anderen hat das spanische Parlament dem amtierenden Ministerpräsidenten Mariano Rajoy aufgrund einer Korruptionsaffäre das Vertrauen entzogen. Und der wohl grösste Brandherd lodert in Italien. Dort hielten die Probleme bei der Regierungsbildung die Aktien- und Devisenmärkte schwer in Atem. Satte 9.1 Prozent ging der FTSE MIB im Mai in die Knie, der italienische Bankenindex stürzte gar um mehr als ein Fünftel ab.
Regierung gerungen. Sah es zwischenzeitlich so aus, als würden die Verhandlungen scheitern, fanden die Fünf-Sterne-Bewegung und die Lega letzten Endes dann doch zusammen. Am 1. Juni legten der politisch weitgehend unerfahrene Juraprofessor Giuseppe Conte als Regierungschef und seine Minister den Amtseid ab. Damit bestimmt erstmals ein Kabinett aus eurokritischen Parteien die Geschicke der drittgrössten Volkswirtschaft der Eurozone. Das sorgt in Brüssel für grosse Unsicherheit, die sich in dem Gratulationsbrief von EU-Ratspräsident Donald Tusk an Conte widerspiegelt: «Ihre Ernennung kommt zu einer schwierigen Zeit für Italien und die gesamte Europäische Union.» Gleichzeitig rief er zu «Einigkeit und Solidarität» auf. Hier geht es direkt zu Anlagelösungen passend zum Thema «Brennpunkt Italien – die neue europäische Vertrauensfrage».
Die Zweifel an Italiens Treue zum Euro stehen nun im Vordergrund. Zwar versichern die beiden Regierungsparteien Lega und Fünf Sterne, dass ein Austritt aus der Eurozone nicht in ihrem Regierungsprogramm stehe, doch hörte sich das im Wahlkampf noch ganz anders an. Lega-Chef Matteo Salvini hatte damit geworben, die Eurozone zu verlassen. Auch die Fünf-Sterne-Bewegung sparte damals nicht mit Kritik an der EU. Neben diesem drohenden Konfrontationskurs mit der Eurogruppe hängt auch noch eine ausgabenfreudige Politik wie ein Damoklesschwert über dem südeuropäischen Land. Die Parteien haben nämlich angekündigt, die Steuern zu senken und die Ausgaben im Sozialbereich erheblich zu erhöhen. Die Schuldenquote Italiens liegt bereits heute bei 130 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.
Die zunehmenden Bedrohungen kommen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. In der Eurozone trübt sich nicht nur die Stimmung in der Wirtschaft ein. Im Mai fiel das Barometer um 0.2 auf 112.5 Punkte. Auch die harten Fakten deuten auf eine Abkühlung hin. Von Januar bis März legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur noch um 0.4 Prozent zum Vorquartal zu. In den drei Vorquartalen lag das Plus noch bei jeweils 0.7 Prozent. Die Verlangsamung des Wachstums scheint den Währungshütern zufolge länder- und sektorenübergreifend zu sein. Letztlich haben die Gefahren für die Konjunkturaussichten zugenommen. Dies schürt Sorgen, dass die EZB den geplanten Ausstieg aus ihrer extrem lockeren Geldpolitik nach hinten verschieben muss. Ablesen lassen sich die Folgen am Eurokurs. Gegenüber dem US-Dollar verlor die Gemeinschaftswährung seit Mitte April rund 6 Prozent an Wert.
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