Aus dem Nichts
Die Sorge vor der Geldentwertung dürfte genauso alt sein wie das Zahlungsmittel selbst. Egal, ob die Menschen mit Münzen, Scheinen oder per Überweisung ihren Verpflichtungen nachkommen: Sie waren und sind dabei davon abhängig, dass der Geschäftspartner auf den Gegenwert vertraut. Das moderne Geldsystem basiert auf Fiatgeld. Dieser Begriff leitet sich aus dem lateinischen «fiat» ab, was so viel heisst wie «es sei, es werde, es entstehe». Wie der Name sagt, wird unser Geld mehr oder minder aus dem Nichts geschaffen – ohne Gegenwert. Es liegt an den Staaten respektive deren Zentralbanken, für Stabilität zu sorgen. Institutionen wie Schweizerische Nationalbank, Europäische Zentralbank oder das U.S. Federal Reserve System mühen sich nach Kräften, diese Aufgabe zu bewältigen. Gleichwohl zehren Phasen der hohen Inflation, überbordende Staatsschulden und Finanzkrisen am Vertrauen in das Fiatgeld.
Wachsender Geldberg
Momentan steht der US-Dollar exemplarisch für die wachsenden Zweifel am Geldsystem. Einerseits hält sich die Teuerung in den Staaten hartnäckig. Zwar stemmt sich das Fed mit relativ hohen Zinsen gegen die Inflation, doch die Notenbank ist hierfür einer wachsenden Kritik aus dem Weissen Haus ausgesetzt. Präsident Trump fordert Zinssenkungen. Die Steuer- und Fiskalpolitik seiner Regierung dürfte dazu führen, dass der Schuldenberg der USA weiter anwächst. Um ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, Haushaltsdefizite zu bewältigen und die Wirtschaft auch in Krisenzeiten am Laufen zu halten, blähen die Staaten die Geldmenge immer weiter auf. Mitte 2025 ist sie über die Marke von USD Bio. 22 geklettert (siehe Grafik). Das exponentielle Wachstum ist kein amerikanisches Phänomen. Auch in anderen Ländern und Regionen wie der Eurozone, China oder Japan nimmt der «Bedarf an Moneten» seit Jahrzehnten zu.
Der Aufstieg des Bitcoins
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass harte Vermögenswerte hoch im Kurs stehen. Lange Zeit galt Gold als einzige Krisen- respektive Reservewährung. Mittlerweile ist mit dem Bitcoin eine zweite Alternative dazugekommen. Vor zehn Jahren lag die Kapitalisierung der Kryptowährung bei weniger als USD Mrd. 5. Damals steuerte sie keine 0.1% zum gemeinsam mit Gold gefüllten Korb an Hartgeld bei. Mittlerweile sind Bitcoin in einem Wert von mehr als USD Bio. 2 im Umlauf. Der Anteil am Hartgeld-Basket ist auf mehr als 8% gestiegen. Die Summe aus dem Edelmetall und der Kryptowährung beträgt rund USD Bio. 25. «Dadurch hat sich der Gesamtanteil der harten monetären Vermögenswerte im Verhältnis zur globalen Geldmenge fast verdoppelt, was eine zunehmende Anlegerreaktion auf strukturelle Risiken im traditionellen Finanzsystem widerspiegelt», stellt WisdomTree fest. In einer aktuellen Studie berechnet der Vermögensverwalter verschiedene Zukunftsszenarien. Neben der globalen Geldmenge zählen die Entwicklung der harten monetären Vermögenswerte, der Anteil des Bitcoins an diesem Pool sowie die das voraussichtliche Angebot an Gold und Bitcoin zu den Eckdaten des Modells.
Basisszenario als realistisches Bild
Als unwahrscheinlich beschreiben die Experten das Deflationsszenario. Es unterstellt mehr Haushaltsdisziplin der Regierungen, steigende Realzinsen und eine nachlassende Inflation. Infolgedessen würde der Bitcoin bis 2030 auf der Stelle treten, während das Modell für Gold einen Preisrückgang auf USD 3'000 je Feinunze errechnet. Ganz anders sieht es beim Basisszenario aus. Hier gehen die WisdomTree-Analysten von einer Fortsetzung der vorherrschenden Dynamik aus. Neben einer leichten, aber anhaltenden Inflation in der Nähe der Zentralbankziele umfassen die Annahmen ein moderates reales Wirtschaftswachstum sowie eine stetige Ausweitung der globalen Geldmenge. Auf dieser Basis errechnet das Modell für 2030 einen Bitcoin-Kurs von USD 250'000. Damit würde sich die Kryptowährung gegenüber dem aktuellen Niveau im Schnitt pro Jahr um 18% verteuern. «Gold steigt auf ca. USD 4'000 pro Unze, was einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 3.7% im gleichen Zeitraum entspricht», schreiben die Autoren der Studie.
Plausibles Fazit
Zu noch höheren Werten führt des Inflationsszenario. WisdomTree skizziert hier eine Zukunft der verstärkten monetären Expansion bei ungelösten Haushaltsproblemen, steigender Schuldenlast sowie der politischen Attraktivität der Inflation als versteckte Schuldensteuer. In diesem Szenario würde Bitcoin bis 2030 pro Jahr jährlich im Schnitt um mehr als ein Drittel steigen und am Ende des Prognosezeitraums bei USD 500'000 notieren. «Bei Gold ist ebenfalls ein deutlicher Aufwärtstrend zu verzeichnen», stellen die Analysten fest. Mit einer annualisierten Rendite von 11% würde das Edelmetall bis Ende 2030 einen Kurs von USD 5'500 je Feinunze erreichen. Fest steht, dass sowohl bei Gold als auch im Bitcoin das Angebot knapp ist. Gleichzeitig nimmt die Nachfrage nach monetärer Stabilität zu. Für die WisdomTree-Spezialisten resultiert aus dieser Gemengelage ein klares Fazit: «In einer strukturell inflationären Welt halten kluge Anleger beide Werte.»
Stand: August 2025; Quelle: Federal Reserve Economic Data, Federal Reserve Bank of St. Louis
Stand: Mai 2025; Quelle: WisdomTree, Bitcoin und Gold: Drei Modellprognosen für die Jahre ab 2030Historische Daten sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Entwicklungen.